Auf der ersten Kundgebung von „Nuit Debout“ in Wien konnte auch Franz Hörmann sprechen, der nicht weiß, ob es Gaskammern gab.
Die geplanten Veränderungen des Arbeitsrechts haben in Frankreich zu enormen Protesten geführt. Im Rahmen der Protest-Bewegung wurde auch „Nuit debout“ (die Nacht wach/aufrecht bleiben) geboren. Beginnend mit dem 31. März 2016 protestierten vor allem junge Menschen am Pariser Place de la République und an anderen zentralen Plätzen in Frankreich täglich gegen den neuen Gesetzes-Vorschläge der sozialdemokratischen Regierung.
Auch in Österreich sollte am vergangenen Sonntag eine erste Kundgebung in Solidarität mit der französischen Protestbewegung stattfinden. Die Kundgebung am Wiener Schwarzenbergplatz war zahlenmäßig ein Flop, bestenfalls 50 Personen waren vor Ort.
Umso bemerkenswerter war allerdings die RednerInnen-Liste. Bei meiner Ankunft hielt gerade Franz Hörmann einen längeren Vortrag. Hörmann sprach dabei über die Rolle des Geldes, der Inhalt war ein wenig wirr, doch an sich nicht unbedingt verdächtig. Hörmann ist allerdings keineswegs ein unbeschriebenes Blatt.
Das „Detail“ der industriellen Massenvernichtung
Im Jänner 2012 erklärte der WU-Professor laut der Plattform „Stoppt die Rechten“, keine Meinung zu Gaskammern zu haben. In einem Interview mit dem „Standard“ legte Hörmann noch nach und sagte: „Es macht keinen Sinn, aus heutiger Perspektive darüber (den Holocaust, Anm) zu reden.“ Es sei unnötig, über „Details“ zu streiten, wie genau oder wie viele Menschen ermordet wurden. „Alles, was wir haben, sind Gebäudereste, Fotos und Beschreibungen“, so Hörmann.
Hörmann betätigte sich auch als Präsident der Kleinst-Partei „HuMan Weg“ (HPÖ) in Österreich. Deren Schweizer Ableger lobt laut der „Presse“ das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten und hetzt gegen angebliche „geistig-jüdische Führer“ in der US-Regierung. Der Generalsekretär von „HuMan-Weg Bewegung“ in Österreich, Hans-Jürgen Klaussner, fiel laut „Stoppt die Rechten“ auch bereits durch Aussagen über das „Geldjudentum“ auf. Hörmann kommentierte das damals so, dass er nicht alle von Klaussners Ansichten teilen würde, doch: „In der Partei sind alle willkommen, auch Nazis.“
Hörmann ist den VeranstalterInnen offenbar bekannt
Als ich Hörmann erkannte, sprach ich die Person an, die für das Mikrofon verantwortlich war. Ich fragte ihn, ob er wisse, wer hier sprechen würde. Er erklärte mir, dass Hörmann ihm bekannt sein. Auf meinen Hinweis, dass dieser in der Vergangenheit zur Frage der Gaskammern mehr als bedenkenswerte Äußerungen von sich gegeben habe, sagte der Mann, dass jede Person auf dieser Veranstaltung sprechen könne, unabhängig von der Ideologie.
Nach dem Ende des Beitrags von Hörmann ergriff ich aus dem Publikum heraus das Wort und erläuterte in einem Satz den Hintergrund des Redners. Hörmann durfte daraufhin nochmals ans Mikrofon und konnte dann seine Position ausführlich erklären. Unter anderem stellte er dabei fest, dass eben unklar sei, ob es Gaskammern gegeben habe oder nicht. Proteste der Veranstalter oder auch aus dem Publikum habe ich nicht wahrgenommen.
„Jeder Beitrag gleich wertvoll“
Im Gegenteil: Sehr schnell kam ein jüngerer Mann mit längeren Haaren und Bart auf mich zu, der sich selbst als Organisator vorstellte. Er erläuterte, dass hier jeder Redebeitrag möglich sei. Wörtlich sagte er, dass auch Neonazis selbstverständlich reden dürften, wenn sie keine „Hassreden“ von sich geben würden – Das Infragestellen der Existenz von Gaskammern fällt scheinbar nicht darunter. Ebenfalls erklärte dieser Organisator, dass jeder Beitrag gleich wertvoll sein.
Weitere AugenzeugInnen machten mich darauf aufmerksam, dass entweder Hörmann oder der Mann am Mikrofon mich währenddessen im Zuge des zweiten Beitrags von Hörmann als „Hetzer“ bezeichnet hätten.
Fragwürdige Distanzierung
In weiterer Folge veröffentlichte „Nuit Debout Austria“ auf Facebook eine Erklärung zu diesem Vorfall. Der Vorfall wird dort so dargestellt, dass Hörmann in seiner Replik „nur“ gesagt hätte, dass er in Bezug auf den Holocaust „auf die Expertise der Historiker vertraue“. Des Weiteren wird der Auftritt von Hörmann in der Stellungnahme so dargestellt, als wäre er den VeranstalterInnen unbekannt gewesen. Das entspricht offensichtlich nicht dem, was mir gegenüber deklariert wurde. Schließlich distanziert sich die Gruppe „von jeglicher Form der Gewalt, Sexismus, Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung“.
Ich schrieb daraufhin eine längere Anfrage an Nuit Debout Austria mit einer Darstellung der Vorkommnisse und einem Ersuchen um Stellungnahme. Auf dieses Ansuchen erhielt ich statt einer inhaltlichen Reaktion nur noch folgende lapidare Antwort: „Nuit Debout Austria wird diesbezüglich keine weitere Stellungnahme mehr abgeben. Gerne könne Sie am Sonntag 15 Uhr zu uns stoßen um dies gemeinsam zu diskutieren. Mit freundlichen Grüßen Lange Haare und Bart“.
Hörmann bereits seit Jahren einschlägig umtriebig
Franz Hörmann fiel einer breiteren Öffentlichkeit erstmals rund um die sogenannten Occupy-Proteste 2012 in Wien auf. Laut Profil versuchten rechte Kräfte damals, die Proteste zu unterwandern. Der Salzburger Bernhard Jenny, ebenfalls in der Occupy-Bewegung aktiv, kritisierte diese Entwicklung scharf. Diese Entwicklung ist nicht singulär. Auch rund um „Anonymous“ oder die sogenannten „Montags-Demos“ konnten immer wieder verschwörungstheoretische oder antisemitische Positionen beobachtet werden.
Hörmann trat auch bereits als Buchautor in Erscheinung. Der Co-Autor des Buches „Das Ende des Geldes“, Otmar Pregetter, distanzierte sich allerdings später klar von Hörmann. In einer Aussendung stellte er fest: „Die diskussionswürdigen Ansätze, wie z.B. ein internet-basiertes Verrechnungssystem, werden über weite Strecken von ,Allmachtsphantasien‘ (…) sowie ,antisemitischen Äußerungen‘ überlagert.“ Später wurde gegen Hörmann auch wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung ermittelt, entsprechende Anzeigen wurden eingestellt.
Revisionismus als Verhöhnung der Opfer des NS-Terrors
Es scheint, als würde Hörmann nun wieder versuchen, an eine Protest-Bewegung anzudocken. Die Reaktion der Veranstalter deutet darauf hin, als würde ihm das gelingen und er sei bei Nuit Debout Austria willkommen. Nach dem ersten Flop ist zwar davon auszugehen, dass es den VeranstalterInnen nicht gelingen wird, Hörmann eine in irgendeiner Form zahlenmäßig relevante Bühne zu bieten. Dennoch sollte es eigentlich absolut selbstverständlich sein, dass Personen mit solchen Positionen auf Kundgebungen von sozialen Protestbewegungen keinen Raum bekommen.
Unklare Positionen zu den Gaskammern des Nationalsozialismus sind ansonsten eine ausschließliche Spezialität so genannter revisionistischer Kreise. Das Leid von Juden/Jüdinnen, SlawInnen, Roma/Sinti, politischen GegnerInnen, Menschen mit Behinderungen, Kriegsgefangenen oder Schwulen und Lesben soll im kollektiven Gedächtnis ausradiert oder zumindest in Frage gestellt werden. Diese Kreise wollen die Geschichte „revidieren“ und so den NS-Faschismus neuerlich anschlussfähig machen. Damit verhöhnen sie die Opfer des Holocaust und der industriellen Massenvernichtung. Das kann nicht akzeptiert werden.