Die neofaschistische Gruppe „Identitäre“ wollte den Terroranschlag für einen rechten Propaganda-Marsch zum Schwedenplatz nutzen. Das ging gründlich schief.
Den Terroranschlag in Wien wollte die neofaschistische Gruppe „Identitäre“ am Donnerstagabend als Vorwand für ihre Propaganda nutzen. Dem Aufruf der Identitären-Tagungsorganisation „Die Österreicher“ zu einem Marsch vom Wiener Stephansplatz folgten allerdings kaum 230 Personen.
Ursprünglich hatte die extrem rechte Gruppe geplant, vom Stephansplatz über die Rotenturmstraße zum Schwedenplatz zu marschieren. Das bestätigt die Landespolizeidirektion Wien auf meine Anfrage. Rund um den Schwedenplatz hatte am Montag der djihadistische Terroranschlag stattgefunden.
Doch bereits bei der Auftaktkundgebung am Stephansplatz um 18 Uhr wurden die Rechten von lautstarken antifaschistischen Sprechchören übertönt. Parallel zur rechten Kundgebung fand zuerst auch eine antifaschistische Kundgebung am nahe gelegenen Graben statt. Doch im Verlauf der Auftaktkundgebung versammelten sich immer mehr Menschen direkt gegenüber von den NeofaschistInnen. Trotz Lautsprecher waren die Parolen der rechten Kundgebung dann kaum zu verstehen.
"Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda!" Zahlreiche AntifaschistInnen protestieren am Stephansplatz in Wien lautstark gegen einen Mini-Aufmarsch der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Die Rechten sind trotz Lautsprecher kaum zu hören. pic.twitter.com/AvMYLB9sv9
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) November 5, 2020
Wieviele AntifaschistInnen sich versammelt hatten, ist aufgrund der unübersichtlichen Lage schwer einzuschätzen, doch es waren jedenfalls mehrere hundert. Statt der rechten Parolen dröhnten lautstarke antifaschistische Sprechchöre über den Stephansplatz. „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ war ebenso zu hören wie „Nazis Raus“ oder ganz simpel „Halt die Fresse“ als Reaktion auf rechte Versuche, sich per Lautsprecher Gehör zu verschaffen.
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Die sichtlich genervten Rechten waren bereits gegen 18.30 Uhr an drei Seiten von AntifaschistInnen blockiert. Die zahlreich vorhandene Polizei hätte den rechten Aufmarsch wohl nur durchsetzen können, wenn sie massiv gegen die anwesenden AntifaschistInnen vorgegangen wären.
Über 700 Menschen gedenken in Wien der Opfer des Terroranschlags
Insgesamt verhielt sich die Polizei diesmal ruhig. Einen Zwischenfall gab es allerdings, als Polizisten einen Presse-Fotografen brutal aus der rechten Kundgebung drängten. Der Vorfall ist mit Videos gut dokumentiert, hier wird es vermutlich ein rechtliches Nachspiel geben.
Teilnehmer der rechten Kundgebung attackierten dann einen weiteren Fotografen. Der Kollege wurde nach eigener Aussage von einem Faustschlag getroffen, ich selbst wurde unmittelbar danach vom selben mutmaßlichen Täter mit den Worten bedroht: „Du bist der Nächste“.
Nun bedrohen OrdnerInnen und Teilnehmerinnen des neofaschistischen Aufmarschs in Wien anwesende JournalistInnen. Ein Kollege wurde geschlagen, ich wurde mit den Worten bedroht: "Du bist der Nächste."#pressefreiheit pic.twitter.com/CO0tFerLX5
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) November 5, 2020
Nachdem die antifaschistischen Blockaden offenbar zunehmend größer wurden, wurde der geplante Aufmarsch schließlich zum Mini-Aufmarsch degradiert. Die rechten TeilnehmerInnen marschierten vom Stephansplatz einige Meter in die Schulerstraße hinein. Dort wurden sie allerdings sofort wieder von herbeieilenden AntifaschistInnen blockiert.
1919 Offenbar müssen die NeofaschistInnen ihre Abschlusskundgebung unter dem Druck der Blockaden nun in der Schulerstraße machen, einer Mini-Straße im menschenleeren Teil der Innenstadt. pic.twitter.com/2RfEBOMpds
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) November 5, 2020
So musste die Gruppe Identitäre schließlich in der engen und menschenleeren Straße ihre Schlusskundgebung abhalten. Danach ging es die paar Meter zurück zum Stephansplatz, womit der rechte Spuk endete.
Die Gedenkstätte für die Opfer des Terrors in der Wiener Judengasse. Eine rote Fahne mit den drei Pfeilen gegen Faschismus, Kapitalismus und Reaktion, der Kranz des Bündnis Antifaschistische Solidarität und eine Sure aus dem Koran.❤#wienliebe #wienATTACK #schleichdiduoaschloch pic.twitter.com/uzWr90X8gx
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) November 5, 2020
Sollte die neofaschistische Gruppe gedacht haben, dass sie den Terroranschlag des rechten Djihadismus dazu nützen könne, in Wien ihre Propaganda zu verbreiten – dann ist dieser Versuch offensichtlich ordentlich schief gegangen.
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