Brauner Karneval

Bild: Michael Bonvalot

[jw] Deutschnationale Burschenschaften planen Aufmarsch in Wien. Proteste gegen »Fest der Freiheit« angekündigt

[Erstveröffentlichung: junge welt] Im Jahr 1848 war Wien eines der Zentren der Revolution. Im Mai mußte der Kaiser aus der Hauptstadt fliehen, erst im Oktober wurde die Stadt nach heftigen Kämpfen wieder eingenommen. In den letzten Gefechten kämpften überwiegend proletarische Mobilgarden, unterstützt von radikalen Teilen der Nationalgarde und der Akademischen Legion. Nun wollen rechtsextreme Burschenschaften diese Tradition für sich vereinnahmen. Für den heutigen Mittwoch planen sie ein »Fest der Freiheit« inklusive Aufmarsch auf dem zentralen Michaelerplatz. Damit sie dabei ihre Degen tragen können, ist die Kundgebung als Karnevalsumzug deklariert. Die »Offensive gegen rechts« ruft zu Gegenprotesten und zur Umzingelung der Burschenschafter auf.

Nach dem Aufmarsch der rechtsextremen »Identitären« in Wien am 17. Mai ist dies der nächste braune Umzug innerhalb kurzer Zeit. Die »Identitären« geben sich eher jugendlich, die Burschenschaften staatstragend. Doch selten waren die wechselseitigen Überschneidungen so offensichtlich: Sowohl der Sprecher der »Identitären«, Alexander Markovic, wie Gerhard Schlüsselberger, der Organisator des »Festes der Freiheit«, sind in der einschlägig bekannten Burschenschaft Olympia organisiert.

Burschenschaften sind in Österreich ein wesentliches Scharnier zwischen der rechten FPÖ und der offenen NS-Szene. Die Partei bezieht ihren Nachwuchs aus den Kadern der Burschenschaften. In der Parlamentsfraktion ist die Mehrheit der Männer von Parteiobmann Heinz-Christian Strache angefangen Mitglied einer deutschnationalen Verbindung. Gleichzeitig sind auch viele Neonazigrößen in Korporationen organisiert. Lange Zeit wurde diese Vernetzungsfunktion der Burschenschaften in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Erst durch die Berichterstattung rund um die Proteste gegen den »Akademikerball« in der Wiener Hofburg hat sich das Image der Korporierten verschlechtert.

Nun versuchen die Burschenschafter mit der Anknüpfung an das Jahr 1848 eine Imagekorrektur. In den eigenen Publikationen klingt die Sache mit der »Freiheit« allerdings ein wenig anders. So wird in der Aula, dem Zentralorgan des FPÖ-nahen Akademikerverbandes, die Frontstellung der Burschenschaften zum »jakobinisch-freimaurerischen Gedankengut der französischen Revolution« betont.

Tatsächlich waren Burschenschaften an der Revolution beteiligt – doch gleichzeitig vertraten sie bereits damals reaktionäre Standpunkte. So berichtete Heinrich Heine schon 1820 vom »Teutomanismus« und Antisemitismus der Korporierten. Nach dem Ersten Weltkrieg waren gerade die »ostmärkischen« Verbindungen eine wichtige Basis deutschnationaler Verbände und später der NSDAP. Zahlreiche Nazikriegsverbrecher stammen aus ihren Reihen, unter ihnen etwa Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin, oder Irmfried Eberl, erster Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka. Bis heute bilden die österreichischen Korporationen im gesamtdeutschen Dachverband »Deutsche Burschenschaft« das Rückgrat der stramm braunen »Burschenschaftlichen Gemeinschaft«.

Nachdem es bereits breiten Widerstand gegen den Marsch der »Identitären« gab (jW berichtete), ruft das antifaschistische Bündnis »Offensive gegen rechts« erneut zu Protesten auf. Im jW-Gespräch sagte Natascha Strobl, Sprecherin des Bündnisses: »Es ist ein Skandal, daß die Rechtsextremen nun schon wieder aufmarschieren wollen. Am 17. Mai hat die Polizei Dutzende Menschen verletzt, als sie den rechten Umzug durchsetzen wollte. Doch wir lassen uns den Widerstand nicht verbieten.«

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