Contra Geisterspiele: Kein Fußball ohne uns!

Bild: Jan Blanke
Die CoronaKrise macht es uns unmöglich, unsere Liebe zu unseren Vereinen und unserem Sport im Stadion auszuleben. 

Es ist eine Ausnahmesituation, mit der wir uns alle abzufinden haben und die von vernunftbegabten Fans wohl auch kaum in Frage gestellt werden kann.Was allerdings sehr wohl in Frage gestellt werden kann und muss, ist die Wiederaufnahme des Ligabetriebs in seiner aktuellen Form. Auch ich habe keinen Masterplan für eine perfekte Wiederinbetriebnahme des Profisports. Die aktuelle Situation bietet auch gar keinen Raum dafür, sondern zwingt uns zwischen verschiedenen miesen Szenarien abzuwiegen. 

Um zwischen diesen Szenarien abwiegen zu können, hätte es eine Einbindung der Vereine, der Spieler und der Fans gebraucht, die leider nicht stattgefunden hat. Unter dem absolut durchschaubaren Vorwand der sportlichen Fairness und der Rücksichtnahme auf in ihrer Existenz bedrohte Vereine haben sich Profitinteressen und eine Logik der Alternativlosigkeit durchgesetztund das nicht nur in Österreich.

Wir sind nicht eure fucking Tonoption!

Die Entscheidung, in der aktuellen Situation mittels Geisterspielen die Liga fortzusetzen, wurde von Sportminister Werner Kogler (Grüne) so argumentiert, dass in der aktuellen Situation eine Fortführung der Liga notwendig sei, um den Menschen etwas Normalität zurückgeben zu können. Doch mit Normalität hat die aktuelle Situation, nicht nur im Fußballsport, reichlich wenig zu tun. Der Rückgang zur Normalität bedeutet hier real die Rückkehr zum ungezügeltem Geldfluss für Pay-TVSender, zu Investoren und zur fortschreitenden Kommerzialisierung des Sports.

Warum die österreichische Bundesliga immer drittklassig bleiben wird

Die Fans, die den Fußball erst zu dem machen, was er ist, werden immer weiter an den Rand des Geschehens gedrängt, reduziert zur Dekoration. Pappfiguren können uns nicht ersetzen. Auch die Vermarktung von „Stadionatmosphäre“ als Tonoption auf SKY ist ein Versuch, dem über weite Teilen seiner Magie beraubten Erlebnis eine leere Hülle überzustülpen, die die Ligen und die Pay-TV-Sender aktiv mitkreiert haben.

Es ist neben einer dreisten Täuschung auch ein Schlag ins Gesicht aller Fans, die jede Woche Unmengen an Arbeit und Leidenschaft investieren, um den Fußball zu dem Massenphänomen zu machen, das er ist. Wir sind nicht eure fucking Tonoption!

Massenphänomen, ohne Wenn und Aber

Fußball ist ein Massenphänomen, ohne Wenn und Aber. Der Druck, den Profibetrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen – egal ob Fans nun die Spiele mitverfolgen können oder nicht legt nahe, dass Fußball hier lediglich für Übertragungs- und Werbeeinnahmen gespielt wird. Der Verkauf der exklusiven Übertragungsrechte an SKY stellte bereits einen Schritt in diese Richtung dar.

Dass der ORF sich jetzt teuer die Übertragungsrechte für 15 Partien gesichert hat, ändert nichts an der Entwicklung und schließt über weite Strecken kleinere Vereine aus der öffentlichen Sphäre aus. Eine Mindestforderung für die Fortsetzung der Liga via Geisterspielen wäre die Übertragung aller Spiele, zumindest in Konferenzschaltung.

Zieht Fußball besonders viele Arschlöcher an?

Der ORF Sport+ Kanal wird es verkraften, zwei ThomasMusterSpiele weniger die Woche zu übertragen. Fans können dafür den Spielen ihrer Mannschaft zumindest vor den Fernsehgeräten oder im Internet beiwohnen.  Fußball darf nicht hinter einer Paywall verschwinden, ganz unabhängig von Corona. Er muss öffentlich zugänglich sein, um seiner gesellschaftlichen Rolle gerecht werden zu können. Er darf nicht zu einem Privileg für jene verkommen, die es sich leisten können.

Dass der Fußball nur noch als Gelddruckmaschine für einige wenige Gstopfte dient, zeigt auch dass, auf die niedrigeren Ligen vergessen wurde. Der Ex-Rapidler Andi Dober etwa hat absolut richtig geschrieben: „Auf Amateurfußball wird geschissen!“

Das Argument, die Saison der Fairness halber zu Ende spielen zu lassen, flog ebenfalls hochkant aus dem Fenster, als es um die niedrigeren Ligen ging. Nicht nur im Sport fällt aktuell alles unter dem Tisch, wo nicht unmittelbare Interessen des Kapitals gefährdet sind. 

Es wird nicht in einem Vakuum gekickt

Gefahren für die Spieler, die BetreuerInnenstäbe, die Schiedsrichterteams und ihren Familien werden hingegen willentlich in Kauf genommen. Natürlich gibt es für jeden Verein, wie auch für jeden Spieler, das unmittelbare Interesse, so schnell wie möglich wieder auf dem Platz stehen zu dürfen auch wenn eine Partie bestenfalls die Atmosphäre eines Trainingsspiels hat. 

Wie Männerkult und Homophobie im Fußball den Missbrauch begünstigen

Nichts desto trotz geht die Gesundheit der Beteiligten wie der restlichen Bevölkerung vor. In Anbetracht einer global wütenden Pandemie, die weite Teile des gesellschaftliches Leben lahmgelegt hat, ist es doch fragwürdig, wenn nun dringend benötigte Tests verwendet werden, um Teams regelmäßig durchzutesten. Tests die an anderer Stelle dringend gebraucht werden, um die Pandemie einzudämmen. Die Fortsetzung des Ligabetriebs hat eben doch mehr Auswirkungen auf den Rest der Gesellschaft als nur eine geladene Stimmung in der Stadt an Derbytagen.

Fußball um jeden Preis

Auffällig ist, dass andere Sportarten ihren Betrieb für diese Saison einstellten, während im Fußball neue Regelungen und willkürlich anmutende Trainingsbestimmungen ohne Kontrollinstanzen eingeführt wurden. Ein Abbruch oder ähnliche Maßnahmen wurden nicht einmal ernsthaft angedacht. Auch die erstaunlich milde Strafe von einem Punkteabzug von real 6 Punkten und einer Geldstrafe von 75.000 Euro für den LASK zeigt, dass die Gesundheit der Spieler und die Fairness des sportlichen Wettkampfs sich der Vermarktung eines „spannenden“ und finanziell profitablen Ligafinales unterzuordnen haben.

Der LASK kommt hier sehr gut davon, obwohl durch die bewusste Missachtung von Sicherheitsmaßstäben im Trainingsbetrieb eine Infektion der Spielerim Worst-Case-Szenario sogar ein gänzlicher Abbruch der Liga in Kauf genommen wurde, um sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen 

Football is for you and me, not for fucking industry. 

Die aktuelle Situation sollte Raum zum Umdenken bieten. Eine Abnabelung von der immer größeren Abhängigkeit von Sponsoren und Investoren muss folgen. Das offensichtlich nicht funktionierende Geschäftsmodell eines durchkommerzialisierten und für viele Vereine von immer mehr Unsicherheit geprägten Sports hat keine Zukunft.
Der Fußball wird Covid-19 überleben. Aber ein funktionierender und nachhaltiger Ligabetrieb braucht in den Stadien noch immer die Fans, die zwölften Männer und Frauen, die ihre Mannschaft zum Sieg tragen.

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