Bei einem Gerichtstermin in der türkischen Provinz Tunceli (kurdisch Dersim) wurde heute entschieden, dass die Wienerin Mülkiye Laçin aus der Türkei ausreisen darf. Das berichtet das Solidaritätskomitee „Free Mülkiye Laçin“ unter Berufung auf ein Telefonat mit den zwei Prozessbeobachterinnen des Komitees vor Ort. Seit Juli saß Mülkiye Laçin mit Vorwürfen wegen angeblicher Terrorpropaganda in der Türkei fest und durfte nicht ausreisen.
Die Vorwürfe waren absurd: So wurde Laçin unter anderem vorgehalten, dass sie auf Facebook kurdische Lieder und den kurdischen Neujahrsgruß gepostet hätte. Die Geschichte der kurdisch-stämmigen Feministin und Menschenrechtsaktivistin Laçin habe ich im Oktober 2019 für FM4 aufgeschrieben.
Trotz der abstrusen Vorwürfe wurde kurz vor dem Prozess die Anklage sogar nochmals erweitert: Statt Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wurde Laçin nun sogar die Mitgliedschaft vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 10 Jahre Haft. Mit einem so raschen und positiven Ausgang war daher nicht im Vorfeld nicht gerechnet worden.
Laut Selma Schacht vom Solidaritätskomitee „Free Mülkiye Laçin“ ist das Verfahren selbst zurzeit noch nicht abgeschlossen, weil die türkischen Behörden noch Anfragen an die österreichischen Behörden stellen werden. Doch müsse Laçin, falls es zu weiteren Verhandlungsterminen kommt, nicht wieder in die Türkei einreisen und könne sich stattdessen anwaltlich vertreten lassen.
Schacht erklärt: „Mülkiye selbst geht es gut. Wann genau sie ausreisen darf, wissen wir noch nicht. Es kann sein, dass noch administrative Dinge zu klären sind. Doch Mülkiye wird nun so bald wie möglich in ein Flugzeug Richtung Wien steigen.“
Bei einer Pressekonferenz gestern in Wien hatten unter anderem Laçins Tochter Sırma Kapan, das Solidaritätskomitee „Free Mülkiye!“, Willi Mernyi für den ÖGB sowie der ehemalige politische Gefangene Max Zirngast die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen Laçin gefordert. Bei dieser Pressekonferenz wurde auch das mangelnde Engagement der österreichischen Behörden kritisiert. Ähnliche Vorwürfe hatten Laçin und ihre Familie bereits im Oktober 2019 in Gesprächen mit mir erhoben.
„Ich will nach Hause, nach Wien“
Pressekonferenz in Wien: Seit einem halben Jahr wird die österreichische Pädagogin Mülkiye Lacin in der Türkei festgehalten und darf nicht ausreisen. Die Anklage ist dabei völlig willkürlich.
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) January 8, 2020
Selma Schacht vom Solidaritätskomitee für Mülkiye Laçin sagt: „Wir sind heute natürlich überglücklich, das ist ein riesiger Erfolg.“ Schacht, die auch die Betriebsratsvorsitzende der pädagogischen Einrichtung in Wien ist, wo Laçin arbeitet, erzählt: „Die Kinder in der Schule haben sich auch so gefreut. Es gab laute Freudenschreie.“ Schacht erinnert aber auch „an den Skandal, dass Mülkiye nun monatelang mit absurden Vorwürfen in der Türkei festgesessen ist.“
In einem Telefongespräch mit mir hat Mülkiye Laçin den Wunsch geäußert: „Ich will wieder meinen Alltag haben. Ich will wieder zu meinem Job, zu den Kindern und zu meinen eigenen Kindern. Ich will nach Hause, nach Wien.“ Nun wird dieser Wunsch Wirklichkeit!
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