Das sagen Krankenhaus-Beschäftigte zur Arbeitssituation in der Corona-Krise

Bild: Michael Bonvalot, Krankenhaus Wien-Nord

Manche PflegerInnen und ÄrztInnen sind sehr zuversichtlich – andere erheben schwere Vorwürfe. „Die Lage ist nicht mehr tragbar“, sagt eine Pflegerin aus dem Wiener Krankenhaus Nord. Viele klagen über zu wenig Schutzausrüstung und vergangene Kürzungen, die jetzt zum Problem werden.

In der Corona-Krise spielen die Beschäftigten in den Krankenhäusern eine zentrale Rolle. ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen werden ihr Äußerstes geben, damit möglichst viele Menschen die Krise möglichst gut überleben. Doch wie ist die Stimmung in den österreichischen Krankenhäusern? Ich habe für euch mit KrankenpflegerInnen und ÄrztInnen in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg gesprochen und geschrieben.

Alle Namen der GesprächpartnerInnen sind abgekürzt und verändert. Die Krankenhäuser stehen dort dabei, wo die KollegInnen ihr Einverständnis dazu gegeben haben. Eine faktische Überprüfung der Berichte ist nicht möglich – im Fall des Wiener KH Nord habe ich aufgrund der Schwere der Vorwürfe eine Stellungnahme des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) eingeholt.

K., Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Steiermark:

„Wir haben bereits vor rund einem Monat darüber diskutiert, dass dieses Virus etwas Großes werden könnte. Jetzt wo es da ist, was macht das mit uns? Ungewissheit, Nervosität und Angst. Ich bin auf einer Palliativstation, unsere Klinik gleicht einem Geisterhaus. [Anm.: Auf einer Palliativstation werden unheilbar kranke Menschen behandelt.

Es grassieren natürlich Gerüchte unter den KollegInnen, also noch mehr Ungewissheit und Angst bei den meisten. Das Haus ist auf Minimalbetrieb runtergefahren. Jeden Tag kommen neue Anweisungen, was sich ändert. Wir versuchen, ruhig zu bleiben, so gut es geht.

Unser Team ist Weltklasse, ich bin glücklich, ein Teil davon zu sein. Es ist aber für jede/n einzelne/n eine enorme psychische Belastung, eine individuelle Achterbahn im Kopf. Die Ansteckungsgefahr im Krankenhaus ist doch relativ hoch, dazu kommen andere Keime. Doch wir müssen durchhalten, wir werden das irgendwie hinbiegen.

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L., Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Krankenhaus Hietzing:

„Bisher sind die Dienste noch ziemlich ruhig, aber wir bekommen nur sehr wenige Informationen. Es ist jedes Mal, wenn ich in den Dienst fahre, ein etwas mulmiges Gefühl, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommen wird. Dazu kommt die schlechte interne Kommunikation innerhalb der Anstalt. Obwohl es bei uns bereits am 16.03. vernünftigerweise geheißen hat, dass keine weiteren Therapien stattfinden sollen, finden die Therapien am nächsten Tag wie immer statt, obwohl eine Therapeutin unter Corona-Verdacht steht. Es wirkt alles etwas chaotisch.“

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P., Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Wien:

Ich habe in dieser Woche über 80 Stunden gearbeitet, plus Telefondienst. Wir mussten innerhalb von rund zehn Tagen eine Isolierstation aufbauen, die Patientenströme lenken, den Umgang mit der Schutzausrüstung schulen, Desinfektionspläne wegen Materialmangel umstrukturieren  und vieles mehr. Dafür bekomme ich normalerweise ein Gehalt von 1750 Euro pro Monat. Ein Tausender Netto zu wenig für das, was wir leisten.“

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A., Arzt, Salzburg, LKH Salzburg:

Salzburg ist bisher relativ verschont geblieben, bei uns läuft das Ganze relativ gut und strukturiert ab. Wir haben mehrere positive Fälle im Krankenhaus, derzeit ist es aber ganz gut im Griff. Aber natürlich müssen wir davon ausgehen, dass viel mehr KollegInnen krank sind, aber keine Symptome haben. Das Hygiene-Material ist aktuell knapp, KollegInnen nehmen teilweise private Masken mit. Das Hygiene-Material wie Handschuhe, Masken oder Hauben ist versperrt wie Suchtgift.

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Es wird anstrengend und stressig, aber ich glaube nicht, dass bei uns alles völlig zusammenbricht. Mit den jetzigen Prognosen sind wir inzwischen ganz gut vorbereitet, wir haben etwas mehr Zeit gehabt.“

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M., Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Wien, Krankenhaus Nord:

Die aktuelle Lage ist für uns eigentlich nicht mehr tragbar. Wir arbeiten als einzige Abteilung weiter, als wäre vor der Haustür alles in Ordnung. Selbst im AKH wurde bereits vor zwei Wochen auf akut umgestellt. Das bedeutet, es werden keine geplanten Operationen mehr durchgeführt, sondern nur mehr wirklich absolut notwendige Eingriffe. Bei uns läuft das ganz normale Programm weiter. Nach einer Operation kann es immer sein, dass ein längerer Aufenthalt auf derIntensivstation notwendig wird, der ohne Operation nicht notwendig gewesen wäre. Somit fehlt ein Bett für einen Menschen.

Es hieß, das KH Nord solle so lange wie möglich Covid-frei bleiben. Aber als bekannt wurde, dass einer unserer Ärzte am Ärztekongress in Zürs am Arlberg war, ist nichts geschehen. [Anm.: Dieser Kongress wurde inzwischen medial bekannt, dort haben sich mehrere Ärzte angesteckt, Zürs steht inzwischen unter Quarantäne.] Auch drei weitere Chirurgen waren in Risiko-Gebieten unterwegs. Obwohl klar war, dass alle, die aus solchen Gebieben kommen, in Quarantäne müssen, wurde nichts unternommen.

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Erst, als wir uns geweigert haben, unter diesen Bedingungen weiter zu arbeiten, wurden die vier Ärzte zum Schnelltest ins AKH geschickt. Inzwischen liegt eine Gefährderanzeige unserer Gruppe bei der Generaldirektion auf.“

Was sagt der KAV zu diesen Vorwürfen?

Nachdem es sich hier um schwerwiegende Vorwürfe handelt, habe ich den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) um eine Stellungnahme ersucht. Sprecherin Birgit Wachet sagt zur weiteren Durchführung der Operationen: „Die Entscheidung, welche Operationen durchgeführt werden und welche nicht, entscheidet die Leitung des Spitals in Absprache mit der Generaldirektion. Das Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf ist neben dem AKH das einzige Herzchirurgische Zentrum und um die Herzchirurgie geht es im konkreten Fall. Operationen, bei denen mit einem kurzen Intensivaufenthalt zu rechnen ist und Operationen, die lebensnotwenig sind, werden selbstverständlich weiterhin durchgeführt, um die Versorgung von Menschen mit Herzerkrankungen weiterhin aufrecht zu erhalten.“

Zu den ÄrztInnen, die im Risikogebiet waren, sagt Wachet, dass es sich um vier Personen handeln würde. Wachet weiter: „Als Tirol als Risikogebiet eingestuft wurden, waren besagte Kollegen umgehend mit Schutzausrüstung im Dienst und täglich getestet. Die Inkubationszeit ist mittlerweile bei allen vorüber und alle Test waren durchgehend negativ. Die Vorgehensweise ist völlig korrekt und den Vorgaben entsprechend.“ Dem KAV sei klar, dass „es auch innerhalb der Teams zu unterschiedlichen Meinungen kommen kann bzw. in diesem konkreten Fall verschiedene Positionen gibt.“

Auf den Vorwurf, dass im Fall der ÄrztInnen aus Risikogebieten erst nach Protesten der Belegschaft gehandelt wurde, geht der KAV nicht ein. Meine explizite Frage, ob eine Gefährderanzeige vorliege, wurde nicht beantwortet.

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F., Pflegeassistenz, Wien:

Wir an der Basis reißen uns den Hax’n aus. Bei uns im Pflegeheim ist es normalerweise üblich, dass pro Station jede zweite Nacht mit zwei Pflegepersonen besetzt wird, ansonsten mit einer. Die Situation ist jetzt so massiv, dass alle oder einige Stationen jede Nacht mit einer Pflegeperson auskommen müssen.“

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P., Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Niederösterreich, Uniklinik St. Pölten

„Wir haben bereits einen positiven Patienten auf der Station. Bis der erste Test gemacht wurde, wurden wir ‚Schwestern‘ belächelt von den Ärzten, aber der Patient kam von einer Corona gesperrten Station und hatte Symptome. Es wurde dann doch vom Oberarzt panisch ein Test veranlasst, vier lange Stunden später das Ergebnis – negativ. Aber man sah und merkte in diesen Stunden das das Thema Corona noch sehr Stiefmütterlich behandelt wurde. Sicherheitskleidung – Mangelware, es war pro Pflegepersonal eine FFP2-Maske. Die Tage vergingen und ich war sehr oft bei diesem Patient eingeteilt. Als dann weitere Test positiv waren, wurden von 30 Pflegepersonen 25 in Quarantäne geschickt. Die anderen dürfen weiter arbeiten und werden derzeit auf verschiedene Station aufgeteilt. Die Testauswertung dauert extrem lange.

Unsere arbeitenden KollegInnen erzählen vom puren Chaos, Stationen werden zusammen gelegt, damit die gesperrte Station gereinigt werden kann, zwei Tage später wird umgesiedelt, damit die andere Station gereinigt wird. Coronafälle liegen auf „normalen“ Stationen bis sie verlegt werden, Schutzkleidung ist sehr begrenzt da. In der Notaufnahme, in der Vortriage, bekommen die Mitarbeiter eine FFP2-Maske für 12 Stunden, wo das Kondenswasser schon tropft. Die Testzelte vor der Notaufnahme sind schlecht geheizt, das Personal friert.

Ich bekomme derzeit viel Wertschätzung durch Freunde und Bekannte, die sich bei mir bedanken für den Job, den meine KollegInnen und ich jeden Tag so selbstverständlich erledigen.“

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O., Arzt, Niederösterreich:

Ich lerne, besser mit meiner Angst umzugehen. Ich denke, dass es wichtig ist, was ich jetzt mache. Auch wenn ich nicht bin, habe ich etwas Sinnvolles hinterlassen. Die Angst hat auch Sinn, ich vertraue mich meiner Angst ein, die mich manchmal überwältigt. Aber ich weiß, dass sie wieder weggeht, sie will mir etwas sagen, das für mich bedeutsam ist und das mein Handeln lenkt.“

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D., ehemalige Krankenhausbeschäftigte, Steiermark:

„Meine ehemaligen Kolleginnen erzählen mir, dass dem Personal in kleineren Krankenhäusern schon länger keine Schutzmasken zur Verfügung stehen.“

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M., Ärztin, Wien:

„Ich höre aus den Spitäler des Wiener Krankenanstaltenverbunds durchwegs über einen Mangel an Ausrüstung. OP-Masken gibt es immer nur eine pro 25h-Dienst, von Filtermasken (FFP2/FFP3) ganz zu schweigen. Außerdem bekommen die KollegInnen keine Schutzbrillen, meine KollegInnen wurden dazu aufgefordert ihre Skibrillen oder Tauchbrillen von daheim mitzunehmen.“

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S., Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Steiermark, LKH Graz:

„In den letzten beiden Wochen war die Lage grundsätzlich ruhig und angespannt. Es wurde massiv viel vorbereitet für den kommenden Sturm. Ich muss sagen, dass ich wirklich sehr beeindruckt davon bin, wie professionell das alles abgelaufen ist, besonders von Seiten der Pflege.

Teilweise wurden ganze Stationen verlegt, um Platz für Covid-PatientInnen zu schaffen. Grundsätzlich wird an alle Eventualitäten gedacht, habe ich das Gefühl. Bei uns gibt es nun ein recht gutes Aufnahmeverfahren und einen geregelten Umgang mit Verdachtsfällen, ich als Mitarbeiterin fühle mich soweit sicher und gut informiert. Hut ab, dass das alles so gut funktioniert trotz des massiven Personalmangels – das ist wirklich ein Problem, auch schon im regulären Betrieb.

Wir mussten beispielsweise erst Anfang des Jahres auf einer Station Betten dauerhaft sperren, weil es kaum noch diplomiertes Personal gibt. Diesmal haben aber alle einfach gut zusammengearbeitet. Hoffentlich wird nach der Krise der Pflege auch auf politischer Ebene wieder etwas mehr zugehört. Es müssen endlich Maßnahmen gesetzt werden, damit der Beruf wieder attraktiver und erträglicher wird.

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E., Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Niederösterreich:

Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Mein Spital wird eines der Versorgungspitäler für Covid-19-PatientInnen. In den letzten Tagen sind viele Vorkehrungen getroffen worden, um den infizierten und auch den anderen PatientInnen eine möglichst sichere und gute Versorgung zu gewährleisten. Nicht-dringende Fälle wurden nach Hause entlassen, eine Station wurde freigeräumt und die dortigen PatientInnen wurden auf andere Abteilungen verlegt. Wir haben getrennte Eingänge für infizierte und nicht-infizierte PatientInnen, sowie getrennte Lifts.

Unsere Hygienefachkräfte sind bemüht, uns in Sachen Hygienische Vorkehrungen zu schulen, gleichzeitig wird auf die begrenzten Ressourcen hingewiesen, die derzeit herrschen. Atemschutzmasken, die nach einigen Stunden zu wechseln sind, sollen nun mindestens einen Dienst lang halten (12,5h). Eventuelle Wiederaufbereitungen dieser Produkte werden angedacht. Aber auch was Kittel und andere Materialien angeht, wird auf Mäßigung hingewiesen.

Die Stimmung auf der Station wirkt angespannt, aufgrund der Ungewissheit was da in den nächsten Wochen oder vielleicht Monaten noch auf uns zukommt. Die Vigilanz (Anm. Aufmerksamkeit) ist erhöht. War es bis vor kurzem noch Stationsalltag, dass jemand hustet oder anfängt, anzufiebern, wird das nun irgendwie anders wahrgenommen. Wir sind wachsamer geworden. Auch bei uns im Personal hört jeder auf seine Weise mehr auf seinen Körper und wir beginnen teilweise zu hinterfragen, ob uns unsere Psyche nicht doch einen Streich spielt.

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Wir versuchen in Kontakt mit dem PatientInnen, deren Ängste ernst zu nehmen und ihnen möglichst sowohl Sicherheit zu vermitteln wie auch hygienische Richtlinien. Das ist nicht immer einfach, weil auch wir von der neuen Herausforderung stehen. Trotzdem bemerke ich in dieser angespannten Situation eine unglaubliche Solidarität. Wir sind in der Formierung zum Kampf gegen den Virus, um den Menschen zu helfen, ob Chirurgie, Interne, Gynäkologie – egal welches Fach, welche Profession, gemeinsam werden wir unser Bestes tun.

Ich merke, dass ich nicht mehr so unbeschwert in den Dienst fahre wie früher. Das ist eine komplett neue Situation, da steckt auch viel Unsicherheit. Mein Vater ist pflegebedürftig, ich verspüre eine gewisse Machtlosigkeit in meinem Wunsch, ihn zu schützen. Noch schaue ich aber zuversichtlich in die Zukunft, so unberechenbar sie auch sein mag.

Ich bin froh, dass ein großer Teil der Gesellschaft mithilft, um die Pandemie zu verlangsamen, damit das Gesundheitssystem die Möglichkeit bekommt, alle bestens zu betreuen. Damit wir uns nicht die Frage stellen müssen, wie eine Beatmung kommt und wer sterben muss. Wenn wir weiter durchhalten und gemeinsam den bisherigen Weg weitergehen, muss hoffentlich kein/e MedizinerIn in Österreich diese Entscheidung treffen. Ich hoffe, dass nach all dem ein Umdenken passiert, dass das Gesundheitssystem nicht mehr zu Tode gespart wird.

(30.03.: Artikel um Bericht aus St. Pölten ergänzt.)

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