Für viele Studierende bringt die Corona-Pandemie auch Sorgen über die finanzielle Zukunft und das weitere Studium. Ein neues Gesetz soll diese Fragen regeln – ich habe den internen Entwurf zugespielt bekommen.
Viele Studierende wissen aktuell nicht, wie es weitergehen soll. Der Präsens-Betrieb auf den Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen ist eingestellt – wie es mit dem Semester weitergeht, ist nicht geklärt. Daran hängen auch zahlreiche andere Fragen, etwa Prüfungen, Toleranzsemester, Studienbeiträge, die Familienbeihilfe oder sogar der Aufenthaltstitel.
Das Bildungsministerium hat nun einen Entwurf über ein COVID-19-Hochschulgesetz erstellt, den ich zur Verfügung gestellt bekommen habe. Maximilian Richter, der stellvertretende Kabinettschef im Bildungsministerium, bestätigt mir gegenüber die Existenz dieses Entwurfes.
Was ist in Österreich nun wirklich erlaubt und was ist verboten?
Geregelt werden im neuen Gesetz etwa mögliche abweichende Einteilungen der Studienjahrs, abweichende Zulassungsfristen, abweichende Fristen für die Wiederholung von Prüfungen sowie mögliche Rückzahlungen für Studienförderungen. Ebenfalls geregelt ist, dass Tätigkeiten im Zusammenhang mit COVID-19 „Im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Gesundheitsvorsorge oder der Versorgungssicherheit“ mit 4 ECTS-Anrechnungspunkten pro Monat belohnt werden können. Den gesamten Entwurf im Original mit allen Regelungen habe ich hier für euch hochgeladen: Entwurf_Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungsrechtliche Sondervorschriften
Kann oder Muss-Bestimmungen?
Auffallend im gesamten Gesetzentwurf ist allerdings, dass in fast allen Paragrafen von „Kann-Bestimmungen“ die Rede ist. Die Idee des Gesetzes ist, die konkrete Umsetzung dann durch Verordnungen des Ministeriums zu regeln.
Somit ist heute also noch überhaupt nicht klar, welche Lösungen dann tatsächlich gefunden werden und wie sehr diese im Sinne der Studierenden sind. In vielen Fällen werden entsprechende Regelungen auch weiter autonom von den Universitäten, Fachhochschulen bzw. Pädagogischen Hochschulen getroffen werden.
Maximilian Richter vom Bildungsministerum sagt dazu: „Der Minister kann das Gesetz dann durch Verordnungsermächtigungen mit Leben füllen.“ Die Kann-Bestimmungen seien ihm bis dato nicht als Problem aufgefallen und es gäbe keinen Grund zur Sorge. „Wir würden nicht daran denken, nicht im Sinne der Studierenden zu handeln“, so der stellvertretende Kabinettschef.
Wesentlich kritischer sieht das Lars Kollros, Mitglied des Vorsitzteams der Hochschüler_innenschaft der Akademie der bildenden Künste, also einer der beiden Wiener Kunstunis. Ein Uni-Gesetz in der aktuellen Situation müsse sagen, „was gemacht wird, nicht was eventuell gemacht werden sollte, wenn irgendjemand Lust dazu hat“.
Was passiert mit den Studiengebühren?
Warum diese Sorge nicht ganz unberechtigt sein könnte, zeigt das Beispiel der Studiengebühren. Ob die Studiengebühren für das Sommersemester 2020 erlassen werden, sei noch nicht entschieden, so Richter. Auch der aktuelle Entwurf regelt das nicht.
Der Betrieb auf den Universitäten ist bereits eingestellt, es gibt nur noch die Möglichkeit zum E-Learning. Dennoch soll die Entscheidung, ob die Studiengebühren erlassen werden, von den Universitäten autonom getroffen werden. Das Problem: Die Unis müssten damit selbstständig entscheiden, auf Budgets zu verzichten. Dass das in jedem Fall passiert, ist nicht unbedingt erwartbar.
Was passiert, wenn eine Universität auf die Studiengebühren verzichtet und damit einen finanziellen Ausfall hat? Das könne er derzeit nicht beantworten, so Richter. Seine Einschätzung: „Wenn die Universität einen E-Learning-Lehrbetrieb hat, ist ohnehin die Frage, ob eine Erlassung begründet wäre.“
Wie werden die Uni-Budgets aussehen?
Unklar ist auch, was die Corona-Krise für die Leistungsvereinbarungen zwischen Unis und Ministerium bedeutet. Auf Basis bestimmter Leistungen bekommen die Unis ihre Budgets – doch diese Leistungen werden jetzt nicht erbracht werden können.
Richter will sich da noch nicht festlegen: „Das war bisher nicht Thema, Finanzierungsfragen stellen sich derzeit nicht.“ Die Leistungvereinbarungen würden auch auf drei Jahre abgeschlossen: „Das können wir derzeit nicht abschätzen.“ Eine klare Finanzierungszusage von Ausfällen ist das jedenfalls nicht.
Was passiert mit den Leistungsnachweisen?
Für Studierende können fehlende Prüfungen vielfältige negative Auswirkungen haben. Überschrittene Toleranzsemester oder fehlende ECTS-Credits sind relevant für Studienbeihilfen, die Familienbeihilfe oder sogar den Aufenthaltstitel. Richter sagt, dass negative Auswirkungen auf die Studierenden möglichst vermieden werden sollen. Er spricht von einem „neutralen Semester“ für die Studierenden.
Derzeit aber ist im Entwurf des Ministeriums eben vor allem von Kann-Bestimmungen die Rede. Wie das dann umgesetzt wird, wissen wir aktuell nicht. Die Frage der Familienbeihilfe sowie der Aufenthaltstitel ist im aktuellen Entwurf überhaupt nicht geregelt, da dafür das Bildungsministerium nicht zuständig ist. Das Ministerium hätte Familienbeihilfe und Aufenthaltstitel am Radar, so Richter. Das sagt mir auch Desmond Grossmann von der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH).
Bundes-ÖH sieht Entwurf positiv
Insgesamt sieht die Bundes-ÖH den aktuell vorliegenden Entwurf „positiv“, so Sprecher Grossmann. Kritisch würde die ÖH beurteilen, dass es laut dem Entwurf möglich sei, schulische Leistungen für Eignungs- und Aufnahmeverfahren heranzuziehen.
Bildungsminister Heinz Faßmann hätte Spielräume durch Verordnungen, wie dieser Spielraum dann genützt werde, sei offen, so Grossmann. Daher sei es auch wichtig, „den politischen Druck aufrecht zu erhalten“. Zu einem möglichen Erlass der Studiengebühren merkt er an, dass ein Jahr Studienbeiträge auf der Universität Wien – der größten Uni des Landes – gerade einmal einen Ausfall von sieben Millionen Euro bedeuten würden. Dafür könne der Staat gerade stehen: „Wenn Milliarden für die Wirtschaft da sind, dann sollte auch Geld für die Universitäten vorhanden sein.“
Scharfe Kritik von Wiener Studierendenvertreter
Lars Kollros vom Vorsitzteam der Hochschüler_innenschaft der Akademie der bildenden Künste übt dagegen scharfe Kritik am vorliegenden Entwurf. Er sagt, dass im aktuellen Gesetzesentwurf „keinerlei klare Regelungen formuliert“ würden. „Was passiert mit den Toleranzsemestern, was passiert mit den Studiengebühren, was passiert mit dem Sommersemester 2020?“
Er stellt gleichzeitig einen Katalog mit Forderungen vor. Darin enthalten sind unter anderem:
- Eine Ausweitung der Toleranzsemester um mindestens zwei Semester
- Eine Adaptierung der entsprechenden Gesetze, damit die Bezugsdauer der Familienbeihilfe mindestens zwei Semester verlängert wird
- Eine Adaptierung der Studienbeihilfen, damit bei der Verlängerung der Bezugsdauer keine Nachteile entstehen.
- Eine Rückerstattung der Studienbeiträge für dieses Semester sowie die Erlassung für das kommende Semester für alle Studierenden, also auch für drittstaatsangehörige Studierende
- Ersatz der den Hochschulen möglicherweise ausfallenden Studienbeiträge
- Eine Regelung für Prüfungsantritte in den Sommermonaten
- Begünstigungen für Studierende, die nun als Zivildiener und Milizsoldaten eingezogen werden oder sich freiwillig melden
- Keine negativen Auswirkungen für drittstaatsangehörige Studierende insbesondere in Hinblick auf ihren Aufenthaltstitel
Wie geht es weiter?
Alle hier beschriebenen Forderungen und Kommentare beziehen sich ausschließlich auf den aktuell vorliegenden Entwurf zum Gesetz. In den nächsten Stunden und Tagen wird politisch ausverhandelt, welcher Gesetzestext dem Nationalrat endgültig vorgelegt und dann beschlossen wird. Wenn Studierende zum aktuellen Entwurf etwas zu sagen haben, dann ist also jetzt sicherlich der beste Zeitpunkt, sich zu Wort zu melden.
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