FPÖ, „Identitäre“ und Satanismus: Diese Geschichte eines freiheitlichen Parlamentsmitarbeiters hat einfach alles.
Erstveröffentlichung: Vice „Ich will Blasphemie, Mord, Vergewaltigung, Revolution, irgendetwas. Egal, ob gut oder schlecht, nur stark.“ Das schrieb Aleister Crowley einst in sein Tagebuch. Heute ist er vor allem durch Tarot-Karten, Eso-Kulte und Erwähnungen in der Popkultur bekannt. Von seinen AnhängerInnen ließ sich der 1875 geborene Engländer sogar zum Gott weihen.
Er selbst nannte sich gerne provokant den Antichristen und „das große Tier 666“ aus der Johannes-Offenbarung und gilt außerdem als zentraler Vorreiter des Satanismus. Crowley selbst distanzierte sich immer vom Satanismus, auch wenn er gelegentlich mit den Unterstellungen spielte. Feststeht jedenfalls, dass sein Werk einen großen Einfluss auf bekannte Satanisten – allem voran Anton LaVey and Michael Aquino – hatte.
„Tu, was du willst, soll das einzige Gesetz sein“, lautete seine paradoxe Anweisung an seine AnhängerInnen. Sein zentrales Werk Liber Legis (oder Liber AL vel-Legis), auf Deutsch „Buch des Gesetzes“, liest sich wie das Programmheft einer reaktionären Elite. Crowley behauptete übrigens, dieses Buch sei ihm von einem ägyptischen Gottwesen names Aiwass diktiert worden. Darin finden sich Passagen wie: „Tretet nieder die Jämmerlichen und die Schwachen: dies ist das Gesetz der Starken: dies ist unser Gesetz und die Freude der Welt.“
Rücksicht hat in diesen Schriften keinen Platz. Zum faschistischen Staatsstreich in Italien durch Benito Mussolini notierte er in seinen Confessions, nachzulesen auf Seite 710: „Ich war absolut entzückt, als ich vom Putsch erfuhr“. Seine Ideologie „Thelema“ soll er außerdem „als die Basis für die neue Ordnung der Nazis“ gesehen haben, wie Peter-Robert Koenig in seiner Abhandlung aus Crowleys Tagebuch zitiert.
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Wie viel man davon wörtlich nehmen darf, ist umstritten. Vieles an Crowley war Selbstinszenierung, einiges würde man heute vielleicht „Performance“ nennen. 2011 schreibt Der Spiegel in seinem Porträt: „Crowley erzeugte durch seinen ebenso manischen wie ungezügelten Lebensstil eine gigantische Menge kraftvoller Bilder und wahnwitziger Symbolik, eine düstere, geheimnisvolle Note, die Künstler gerne in ihrem eigenen Schaffen mitschwingen lassen.“ Daneben war Crowley auch Inspiration für Künstler wie Jimmy Page, Marilyn Manson und David Bowie.
Noch heute gibt es Crowley-Jünger in verschiedenen Ländern. Auch in Österreich findet sich ein Ableger, genauer gesagt in Graz. Der „Temple of the Silver Star – Studiengruppe Graz“ betreibt eine Facebook-Seite mit der Adresse Thelema Graz und auch eine Homepage. Die Page ist zwar momentan „aus Wartungsgründen“ offline, aber VICE liegen Screenshots vor.
Gleich zu Beginn findet man den Hinweis: „Thelema bezieht sich in weiten Teilen auf Aleister Crowley und sein Liber AL vel-Legis.“ Die Gruppe sieht sich selbst als Kirche: „Wir bieten private und öffentliche Rituale, darüber hinaus spenden unsere Geistlichen (Hierophanten und Bischöfe) die traditionellen Sakramente wie Heirat, die letzten Riten und den Dienst an den Kranken.“
Dann werden magische Ausbildungen angeboten: „Egal welche Art von magischer Arbeit Sie schon gemacht haben, Sie werden wahrscheinlich feststellen, dass unser System Ihnen neue Aspekte der Arbeit bietet.“ Die Ausbildungen von Thelema Graz richten sich dabei nicht nur an Anfänger, sondern auch an bereits „erfahrene Magier“.
Angeboten werden etwa Lehrgänge in „zeremonieller Magie, Meditation, Kabbala, Tarot, Astrologie, kabbalistischer Psychologie und vielem mehr“. Doch auch EinsteigerInnen können beruhigt sein, denn „viele ‚magische Anfänger‘ sind unserem Orden beigetreten und hatten dadurch großen Erfolg auf diesen Gebieten.“
So weit, so seltsam. Doch die Überraschung folgt im Impressum. Denn verantwortlich für den gesamten Inhalt der Seite ist Siegfried Waschnig. Er ist parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ, ehemaliger Kandidat der Freiheitlichen bei den steirischen Landtagswahlen und gleichzeitig ein zentraler Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB).
„Ich will Blasphemie, Mord, Vergewaltigung, Revolution, irgendetwas. Egal, ob gut oder schlecht, nur stark.“
Im Parlament arbeitet Waschnig für FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger, der als wichtiger Neoliberaler in der Partei und einer der Autoren des neuen Wirtschaftsprogramms der FPÖ gilt. Als Burschenschafter bei den Verbindungen „Germania Graz“ und „Thessalia Bayreuth“ müsste Kassegger mit reaktionären Elite-Clubs ohnehin gut vertraut sein.
Neben seiner Tätigkeit für die FPÖ ist Waschnig ein wesentlicher Aktivist der IB in der Steiermark. Seine Auftritte als Redner der rechtsextremistischen Truppe hat die Seite „Recherche Graz“ dokumentiert. Daneben schreibt er für die IB und übernimmt auch wesentliche organisatorische Tätigkeiten, etwa als Mitglied des Vorstands im „Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit“.
Dieser betreibt das Hackherzentrum der IB in Graz, also die Räumlichkeiten der Rechtsextremen. Gegenwärtig scheint Waschnig zwar laut Vereinsregister im Vorstand nicht mehr auf. Doch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) bestätigt anhand älterer Auszüge aus dem Register, dass Waschnig für die Funktionsperiode zwischen 16. 05. 2016 und 15. 05. 2018 als Kassier des Vereins gewählt worden war.
Ob dieser Rückzug und auch die offline genommene Seite von Thelema mit einem Artikel der Recherche Graz von Mitte August 2017 zusammenhängen, muss offen bleiben. Der Artikel behandelt den Wirtschaftsapparat der IB, auch Waschnig ist erwähnt. Kurz danach wurde Thelema Graz vom Netz genommen.
Waschnigs Neigung zu Crowley und Thelema könnte man auch als privaten Spleen durchgehen lassen. Aber Thelema ist eben nicht nur eine seltsam wirkende Religionsgemeinschaft, sondern hat auch eine eindeutige und brutale Ideologie. Dazu gehören unter anderem Frauenfeindlichkeit und der Wunsch nach Vergewaltigung, wie bereits im Eingangszitat von Crowley erwähnt wurde.
In Deutschland wurde diese kranke Idee dann auch tatsächlich umgesetzt. Der Gründer des deutschen Ablegers von Thelema war der Fernsehmechaniker Michael D. Eschner. Mitte der 80er-Jahre geriet die dortige Thelema Society, ins Visier der Justiz, gegen Guru Eschner wurde wegen des Verdachts auf Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung ermittelt. Der Spiegel berichtete damals von erzwungener Disziplin durch Schlafentzug, sexuellen Übergriffen, Selbstverstümmelung mit Rasierklingen und Ekeltraining bis zum Verzehr von Kot.
Es folgten weitere Ermittlungen. 1992 wurde Eschner der Vergewaltigung einer schwangeren Frau schuldig gesprochen und musste ins Gefängnis. Während einer Sitzung soll der Mann der 27-jährigen Betroffenen auch noch brennende Zigaretten auf der Haut ausgedrückt haben.
Angesprochen auf die Verletzungen, beschwichtigte ein anderes Sektenmitglied: „Das haben böswillige Emanzen aus dem Landkreis inszeniert.“ Gemeint gewesen seien laut Zeit die Mitarbeiterinnen eines Frauenhauses. 2002 folgte eine weitere Geldstrafe wegen Nötigung gegen Eschner und zwei andere Mitglieder der Sekte.
Immer wieder gab es Berichte von Übergriffen auf Frauen. Sogar im Zusammenhang mit der bis heute vermissten Katrin Konert aus dem deutschen Niedersachsen wurden Mitglieder von Thelema überprüft.
Auch Verbindungen zur weit rechten und faschistischen Szene finden sich bei der deutschen Thelema Society. So verkehrte ein führender Funktionär der NPD in der Thelema-Gruppe. In der weit rechten Zeitschrift „Eigentümlich frei“ wird der 2007 verstorbene Eschner als Autor geführt. Auch zu einer bewaffneten Gruppe von Nazi-Rockern soll es Verbindungen gegeben haben.
Ich habe auch Siegfried Waschnig telefonisch erreicht. Er sagt, dass ihm die Einsicht fehle, was im Fall Eschner passiert sei. Die Thelema Society hätte „mit dem Zweig“, mit dem sich Waschnig beschäftigt, „unmittelbar nichts zu tun“. Zum Wunsch Crowleys nach Mord und Vergewaltigung möchte Waschnig „persönlich keine Stellungnahme abgeben“ – es sei „ein kontroverses Thema“. Crowley sei aber „in der aktuellen Diskussion eher zweitrangig“.
Das passt allerdings nicht zum erwähnten Statement auf Waschnigs Seite, dass Thelema Graz „sich in weiten Teilen“ auf Crowley beziehe. Jedenfalls bekannt ist, wie Kader und SympathisantInnen der IB auch in der Steiermark zum Thema Schutzeinrichtungen für Frauen stehen. „Frauenhaus. Bester Aufrissplatz. Eine ist immer da.“, „Bordellschutzhaus“ oder „Comedy Abend“ im Frauenhaus hieß es etwa im Mai 2016 von Sympathisanten der IB. Die zentralen Kader der Gruppe, die beiden Leiter Martin Sellner und Patrick Lenart (damals Leiter der IB Steiermark) sowie Luca Kerbl (heute Leiter der IB Steiermark, Ex-FPÖ-Obmann Graz-Lend) kündigten damals auf Video sogar einen Besuch im Frauenhaus Graz an.
Folgender Dialog ist im Video zu finden:
Sellner: „Einen letzten Kommentar, bevor wir ins Frauenhaus Graz gehen?“
Lenart : „Du hast mir versprochen, dass man sich dort die Frauen aussuchen kann.“
Sellner: „Luca, kommst mit Frauenhaus?“
Kerbl: „Das ist sowieso klar, deshalb bin ich hergekommen.“
Das Grazer Frauenhaus informierte daraufhin den Verfassungsschutz, die Polizei verstärkte ihre Streifen rund um das Haus.
Für den Wiener Soziologen und Sozialarbeiter Jerome Trebing kommen solche Positionen nicht überraschend. „Frauenhass und Sozialdarwinismus stecken den Rechtsextremen in den Genen. Und natürlich ist da auch Crowley extrem anschlussfähig und ergiebig“, so Trebing, der bereits seit Jahren zur IB recherchiert.
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Der Sozialdarwinismus und das Herrenmenschen-Ideal ziehen sich tatsächlich durch das gesamte Werk von Crowley. Auch wenn vieles natürlich im übertragenen Sinn zu verstehen ist, wird hier eine fragwürdige Ideologie mit transportiert, die zumindest von vielen Anhängern wortwörtlich verstanden wurde. Demokratie verachtete Crowley zum Beispiel als „ekelerregenden Kult der Schwäche“. In Liber Legis heißt es auch: „Nichts haben wir gemein mit den Ausgestoßenen und den Jämmerlichen: sollen sie in ihrem Elend sterben.“ Und zusammengefasst: „Wir sind nicht für die Armen und Bekümmerten: die Herren der Erde sind unsere Sippe.“
Ich habe auch Siegfried Waschnig telefonisch zu Crowleys Aussagen befragt. Laut Waschnig gäbe es eben „Passagen, die diskussionswürdig sind“: „Crowley an sich war ja eine kontroverse Person, also vielschichtig und so weiter“, so Waschnig. Man müsste die Passagen „im Kontext und in der Historie lesen“.
Zur Frage, ob Waschnig selbst ebenfalls „Hierophant oder Bischof“ von Thelema ist und Sakramente spendet, will er übrigens nichts sagen. Sicher ist, dass er laut seiner Zusagen auf Facebook ein regelmäßiger Gast bei den Veranstaltungen des Grazer „Ordens“ ist (oder es zumindest gerne angibt). Das magische Leben könnte allerdings recht einsam sein, denn oftmals gibt es nicht einmal eine zweite Zusage.
„Erst gescheiterter FPÖ-Kandidat und rechter Esoteriker, dann Vorstandsmitglied und Aktivist der IB, nun wieder parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ.“
Elisabeth Gruber von der Recherche Graz, die sich mit Waschnig bereits umfangreich beschäftigt hat, sieht ihn als „Kader, der sein Tätigkeitsfeld je nach Opportunität und Sachzwang auswählt“. Auch für sie sei auffällig, wo Waschnig überall anzutreffen sei: „Erst gescheiterter FPÖ-Kandidat und rechter Esoteriker, dann Vorstandsmitglied und Aktivist der IB, nun wieder parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ und nebenbei Autor diverser Rechtsaußen-Postillen mit Verbindungen ins waffenstudentudentische Milieu.“ Die ideologische Grundlage würde dabei aber immer die gleiche bleiben, so Elisabeth Gruber.
Waschnig ist übrigens nicht der einzige Kader der IB, der sich esoterisch betätigt. Ein weiterer steirischer Aktivist, Markus Heinz Zeitlhofer, ist verantwortlich für die Seite „Hohe Feste“, wo angeblich „verborgene Geheimnisse endlich entschlüsselt“ werden.
Der Kader der rechtsextremen Truppe bietet unter anderem an, den „Ruf der geistigen Welt zu beantworten“. Ein diesbezügliches E-Book gibt es um 7,50 Euro. Allerdings ist Eile geboten beim Einblick in Zeitlhofers Mysterien geboten, denn „ich weiß nicht, wie lange ich dieses unfassbar günstige Angebot für Dich verfügbar halten kann“.
Für Elisabeth Gruber ist der Mystizismus der IB dabei nur auf den ersten Blick befremdlich. „Bei genauerem Hinsehen fügen sich die permanenten Untergangsszenarien und Verschwörungsmythen vom ‚großen Austausch“ mit dem Wunsch nach einer wiederverzauberten, antimodernistischen Welt eigentlich nahtlos zusammen“, so die Mitarbeiterin der Recherche Graz.
„Nichts haben wir gemein mit den Ausgestoßenen und den Jämmerlichen: sollen sie in ihrem Elend sterben.“
Jerome Trebing erwähnt noch einen weiteren Aspekt: „Seit den 80er-Jahren wird Crowley regelmäßigin der rechten musikalischen Grauzone aufgegriffen.“ Laut Trebing sei das vor allem im Neofolk der Fall: „Hier finden sich viele Kader der IB, insofern überrascht auch der Bezug auf Crowley bei den Neofaschisten keineswegs.“
Im FPÖ-Parlamentsklub sollte sich Waschnig mit magischen Ritualen übrigens durchaus wohl fühlen. In der Vergangenheit bezahlte der Klub sogar eine Wahrsagerin, wie News berichtete. Ihre Leistungen: „Schutz für In- und Ausland, Kraft, Energie“ und sogar einen „Schutzmantel bei Auftritten“ für Parteichef Heinz-Christian Strache. 6000 Euro ließ sich die FPÖ das laut News kosten.
Doch wenn es um die FPÖ geht, wird Waschnig besonders vorsichtig. Denn der Hass auf die Armen, wie ihn Crowley predigt, könnte in Widerspruch zur Parteilinie der angeblich „sozialen Heimatpartei“ geraten. „Diesen Zusammenhang so herzustellen“ findet der parlamentarische Mitarbeiter der FPÖ aber „nicht in Ordnung“.
Eine weitere Verbindung zur FPÖ könne Waschnig „so nicht stehenlassen“, möchte sich aber auch nicht dazu äußern. Doch ein Blick in das neue Wirtschaftsprogramm der FPÖ spricht ohnehin Bände – und scheint gar nicht so unvereinbar mit Crowleys Ansichten: „Nichts haben wir gemein mit den Ausgestoßenen und den Jämmerlichen: sollen sie in ihrem Elend sterben.“
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