Der ÖIF wurde vor Falsch-Informationen an MigrantInnen gewarnt

Der staatliche und ÖVP-nahe „Österreichische Integrationsfonds“ verbreitet falsche Corona-Infos an Menschen mit Migrationshintergrund. Doch der ÖIF wurde bereits vor Wochen vor genau diesen Falschinformationen gewarnt.

Auch am Osterwochenende würde gelten: „Sie dürfen das Haus nur verlassen, um arbeiten zu gehen oder für dringende Einkäufe oder Arztbesuche. Bei Verstößen drohen hohe Strafen!“ Diese SMS schickt der staatliche „Österreichische Integrationsfonds“ (ÖIF) an Menschen mit Migrationshintergrund.

Doch im Jahr 2020 ist der Ostersonntag der 12. April – und der ÖIF ist bereits mindestens seit dem 26. März darüber infomiert, dass diese Behauptungen falsch sind. Verwiesen wird in der Nachricht dann auf die eigens eingerichteten Seite integrationsfonds.at/coronainfo.

Dort behauptet der ÖIF noch am Samstag, dem 11. April, dass es nur drei Gründe gäbe, das Haus zu verlassen: Arbeit, dringende Einkäufe oder Hilfe für andere. „Öffentliche Plätze“ seien geschlossen. Laut eigenen Angaben hat der ÖIF mit Stand 16. April bereits rund 400.000 Menschen mit seinen Behauptungen erreicht.

Doch all diese Behauptungen des ÖIF widersprechen schlichtweg der COVID-19-Verordnung des Gesundheitsministeriums, wo explizit fünf Ausnahmen genannt sind. Hier könnt ihr meine Recherche über die Falsch-Infos durch den ÖIF lesen.

ÖIF, Screenshot 11.04.2020

Der entscheidende Unterschied zwischen den Behauptungen des ÖIF und den Fakten: Der Aufenthalt im Freien ist selbstverständlich weiterhin jederzeit gestattet – solange er allein erfolgt, mit Menschen aus dem gemeinsamen Haushalt oder mit mindestens einem Meter Abstand zu anderen Menschen. Es gibt auch keine Schließung öffentlicher Plätze.

Bereits am 26. März weiß der ÖIF, dass er falsch informiert

Dem Wiener Arbeiterkammerrat Heimo Eberhard (AUGE/UG) ist das bereits am 26. März erstmals aufgefallen. Auf Facebook schreibt er an diesem Tag, dass in den SMS des ÖIF die Information fehlen würde, dass es gestattet ist, „einen Spaziergang zu machen oder zu joggen“.

Warum gibt Österreich falsche Corona-Infos an MigrantInnen?

Viele Menschen mit Migrationshintergrund hätten ihn angesprochen, „da sie durch diese Information enorm verunsichert wurden“, erzählt mir Eberhard. Noch am selben Tag kontaktiert ihn eine Mitarbeiterin des ÖIF per Chat, Screenshots davon liegen mir vor. Die Information sei gleich an die zuständige Chefin weitergeleitet worden, diese hätte das „für sehr wichtig erachtet“, so die Mitarbeiterin.

Moscheen im Visier des ÖIF

Noch etwas anderes irritiert Eberhard. In einem Erklär-Video des ÖIF wird behauptet, dass Moscheen geschlossen werden müssten. Die entsprechende Aussage im ÖIF-Video ab Minute 1:32: Es sei wichtig, „dass wir uns alle an die Vorgaben der österreichischen Bundesregierung halten“.

Diese angeblichen „Vorgaben“ werden dann aufgezählt. „Lokale, Restaurants, Geschäfte und Moscheen bleiben geschlossen.“ Eberhard weist die Mitarbeiterin im Chat darauf hin, dass hier ausschließlich Moscheen genannt werden, aber „weder Kirchen, noch Synagogen, noch Sikh-Tempel aufgeführt“ seien. Doch das Problem reicht hier sogar noch tiefer: Eine entsprechende Anordung der Regierung für religiöse Stätten existiert schlichtweg nicht.

Das bestätigt mir auch Valerie Mussa von der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ): „Eine Vorgabe der Bundesregierung mit diesem Wortlaut gibt es nicht“, so Mussa. Auf meine Nachfrage bezieht sich eine Sprecherin des ÖIF auf einen Aufruf der IGGÖ zur freiwilligen Schließung der Moscheen und schickt mir einen Link zu einem entsprechenden Bericht des ORF. Das aber ist offensichtlich etwas völlig anderes als eine angebliche „Vorgabe“ der Bundesregierung.

ÖIF bleibt faktenresistent

De Mitarbeiterin des ÖIF jedenfalls zeigt sich nach dem Posting von Eberhard sehr interessiert. Seine Hinweise würden „gleich an die Verantwortlichen weitergeleitet“. Das war am 26. März. Allein: An den falschen Informationen wird nichts verändert. Noch am 13. April, also über zwei Wochen später, finden sich die Falsch-Informationen auf der Seite des ÖIF, auch entsprechende SMS werden offenbar weiter verschickt.

Eberhard ist auch nicht der einzige, der den ÖIF darüber informiert, dass er falsche Informationen verbreitet. Die Grazer Flüchtlingshelferin Christine Barwick etwa hat den ÖIF am 8. April per Mail angeschrieben. Sie schreibt dem ÖIF, dass sie eine Anfrage eines afghanischen Freundes bekommen hätte. Der hätte eine SMS des ÖIF per WhatsApp weitergeleitet bekommen und sei deshalb sehr verunsichert. Das Mail liegt mir vor.

Steigt der Polizei die neue Macht zu Kopf?

Der Text der ÖIF-SMS: „In Österreich gelten weiterhin strenge Bestimmungen zur Eindämmung des Coronavirus, auch am kommenden Osterwochenende. Sie dürfen das Haus nur verlassen, um arbeiten zu gehen oder für dringende Einkäufe oder Arztbesuche. Bei Verstößen drohen hohe Strafen!“ Ein Screenshot liegt mir vor. Auch hier also wieder schlichtweg falsche Informationen. Informationen, die Menschen daran hindern, ihr Recht wahrzunehmen, die Wohnung zu verlassen.

Auch andere haben gewarnt

„Ich nehme an, Sie wissen, dass dies nur die halben Gründe sind, warum man das Haus verlassen darf!“, schreibt Barwick dem ÖIF und fragt: „Haben unsere mit Menschen ausländischer Herkunft nicht das Recht auf vollständige und richtige Information?“

Auch die Asylkoordination hat den ÖIF bereits am 9. April auf das Problem aufmerksam gemacht, wie Sprecher Herbert Langthaler mir sagt. Als Reaktion hätte es geheißen, die Informationen würden gerade auf den letzten Stand gebracht – was aber auch danach nicht passiert ist.

Erst nach meinen Anfragen verändert der ÖIF die Aussagen auf seiner Seite – die Corona-Page des ÖIF wird in den folgenden Tagen buchstäblich zum Work-In-Progress. Nach meiner ersten Anfrage an den ÖIF werden am 14. April aus den angeblich nur drei erlaubten Gründen, das Haus zu verlassen, auf einmal stillschweigend „vier Gründe“.

ÖIF, Screenshot 14.04.2020

Zwar bereits etwas näher an der Wirklichkeit, aber immer noch falsch. Auch die falsche Information, dass öffentliche Plätze geschlossen seien, ist zu diesem Zeitpunkt weiterhin online. Am 14. April veröffentliche ich meinen ersten Artikel, am 15. April schicke ich eine weitere Anfrage an den ÖIF.

Es folgen weitere Veränderungen. Aus den „vier Gründen“ werden „wenige Gründe“. Die Behauptung, dass öffentliche Plätze geschlossen seien, wird kommentarlos gelöscht.

ÖIF, Screenshot 16.04.2020

Auch das Erklär-Video verschwindet von der Homepage. Was es aber nicht gibt: Irgendeinen Hinweis darauf, dass der ÖIF zuvor über Wochen falsche Informationen veröffentlicht und verschickt hat.

Der ÖIF antwortet auf diese konkreten Fragen nicht. Eine Sprecherin des ÖIF schreibt mir, dass Vorwürfe, der ÖIF würde „nur unvollständig oder gar falsch informieren“, auf das „Ausdrücklichste“ zurückgewiesen würden. Doch trotz der „Zurückweisung“ durch das ÖIF bleibt es Fakt, dass der ÖIF eben unvollständig und falsch informiert hat. Eine entsprechende Nachfrage bleibt unbeantwortet.

Was ist in Österreich nun wirklich erlaubt und was ist verboten?

Ebenfalls keine Antwort seitens des ÖIF gibt es auf meine Frage, ob korrigierende SMS an all jene Menschen verschickt werden, die der ÖIF in den vergangenen Wochen falsch informiert hat.

Ist es dem ÖIF einfach egal?

Der ÖIF, der auch in Immobilien-Skandale verwickelt ist, gilt als strikt ÖVP-nah, ressortverantwortlich ist Integrationsministerin Susanne Raab von der ÖVP. Das Ministerium hat auf eine entsprechende Anfrage nicht reagiert.

Es ist an sich bereits ein Skandal, dass der ÖIF über Wochen falsche Informationen verbreitet. Von einer staatlichen Einrichtung kann und muss erwartet werden, dass sie die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen korrekt wiedergibt. Diese Bestimmungen sind auf der Seite des Gesundheitsministeriums auch jederzeit nachlesbar.

Doch noch wesentlich skandalöser ist, dass der ÖIF offenbar bereits vor Wochen darüber informiert wurde, dass er Falsch-Informationen an Menschen mit Migrationshintergrund verbreitet – und dennoch damit weitergemacht hat. Rund 400.000 Menschen hat der ÖIF laut eigenen Aussagen bisher mit seinen Informationen erreicht – sind diese Menschen den Verantwortlichen im ÖIF schlichtweg egal? Oder ist das Absicht?

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