[Text und Bilder: Michael Bonvalot und Tanja Boukal] Eine Kurve auf der hochgelegenen Küstenstraße. Das Auto fährt langsam, unser Kontakt meint, wir sollten genauer hinsehen. Dann sehen wir einen kleinen Pfad, er schlängelt sich die Felsen hinunter zum Meer. Genau an dieser Bucht beginnt für tausende Menschen der letzte Abschnitt ihrer Flucht nach Europa.
Wir folgen zu Fuß dem Pfad zum Wasser. An den Feuerstellen, die überall zu sehen sind, haben sich die Menschen wohl notdürftig gewärmt. Immer noch kann es hier in der Nacht empfindlich kalt werden.
Wir sehen auch sehr viele Verpackungen für Schlauchboot-Flickzeug, wir sehen Verpackungen von Pumpen und von Kompressoren. Die Schlauchboote werden allerdings oft völlig überfüllt zu Wasser gelassen – obwohl die Menschen viel Geld für eine angeblich sichere Passage bezahlen müssen.
Wer protestiert, wird von den Schleppern bedroht, wie uns unser Kontakt, ein örtlicher Flüchtlings-Helfer, berichtet. Er hätte etwa gesehen, wie die Ruder der Boote als Knüppel verwendet wurden.
Die griechische Insel Lesbos ist rund 15 Kilometer entfernt, ihre Lichter spiegeln sich gut sichtbar im Abendlicht. Doch der Schein trügt: Lesbos ist viel weiter entfernt als von hier aus wirkt. Was aussieht wie die Hafenzeile von Lesbos mit ihren erleuchteten Lokalen ist tatsächlich der Flughafen mit seinen starken Scheinwerfern.
Dazu machen die Windverhältnisse und die Strömungen die Fahrt buchstäblich lebensgefährlich. Allein am Küstenabschnitt zwischen der Türkei und den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios sind bereits tausende Menschen ertrunken – genaue Zahlen werden wir wohl niemals erfahren.
Ob die Kleidung bereits vor der Abfahrt zurückgelassen wurde oder ob es ein verzweifelter Versuch war, das Boot leichter zu machen? Was aus diesen Menschen wurde? Ob sie die Überfahrt auf dem Boot überlebt haben?
Wir wissen es nicht. Wir können nur für sie hoffen.