Ein 16-jähriger Wiener mit afrikanischen Wurzeln wurde brutal zusammengeschlagen. Jetzt erzählt Elias, was passiert ist – und wie ihn die Polizei danach rassistisch diskriminiert hat. Auch zwei Zeuginnen erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
„Wir wollten einfach nur schwimmen gehen“, erzählt mir Elias. Es ist der frühe Abend des 5. Juli, ein Sonntag. Er und seine Freunde seien gerade im Wiener Neubauviertel Seestadt über eine Brücke gegangen. Auf einmal wären sie von einem Mann angeschrien worden: „Ich habe zuerst gedacht, dass das irgendein Security ist“, sagt Elias. „Er hatte nur eine Badehose an, nicht einmal ein Shirt.“
Auf der anderen Seite der Brücke sei der Mann dann wieder aufgetaucht. „Der Typ hat extrem seltsam gewirkt, wir sind dann weggelaufen, er ist uns hinterher“. Der Mann hätte ihm dann den Weg verstellt. „Auf einmal habe ich einen Kick ins Bein bekommen, ich bin zu Boden gegangen.“
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Danach folgen weitere Tritte, erzählt Elias. „Ich habe immer wieder gesagt, dass er mich gehen lassen soll.“ V., eine Augenzeugin, bestätigt mir gegenüber diese Darstellung: „Der Typ hat einfach zugetreten.“
Danach kommt es noch schlimmer, erzählt der 16-jährige. „Er hat mich dann mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ich wollte wegrobben und weglaufen, aber er hat immer weiter getreten.“
„Überall war Blut“
Als vier weitere Männer auftauchen, hofft Elias zuerst, dass sie ihm helfen würden. „Aber das waren seine Freunde, die sind dann auch noch auf uns losgegangen.“ Wieder hätte ihn der Haupttäter mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen, erzählt Elias. „Da hat er mir dann die Nase gebrochen. Überall war Blut.“
Nadja, eine weitere Zeugin, bestätigt die Schilderung des Übergriffs im Gespräch mit mir. Elias sagt, dass seine Freunde inzwischen die Rettung und die Polizei geholt hätten. Ein anderer Freund, der ihm helfen wollte, wurde inzwischen von den Tätern ebenfalls attackiert. Das bestätigt auch Zeugin V., die ebenfalls die Polizei informiert hatte, wie sie erzählt. Beide Zeuginnen waren an diesem Tag unabhängig voneinander und von Elias in der Seestadt in Wien-Donaustadt unterwegs und haben sich bei mir gemeldet.
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Die meisten anderen Leute hätten dagegen nicht geholfen, sagt Elias: „Die haben einfach nur zugesehen. Eine Frau ist einfach weiter auf ihrer Luftmatratze im See geschwommen und hat überhaupt nichts gemacht.“ Geholfen hätten dagegen andere Jugendliche. „Ich glaube, es waren Syrer oder Afghanen. Auf jeden Fall konnten sie nicht besonders gut Deutsch. Die haben uns sehr unterstützt.“
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Schließlich hätten die Täter mit zwei Autos die Flucht ergriffen. „Denen flog dann ein Stein hinterher, wobei die Rückscheibe gebrochen ist. Daraufhin sind die Typen nochmals ausgestiegen und haben zwei von den jungen Leuten verletzt, die uns geholfen haben.“
Die Polizei hätte sich mit dem Eintreffen extrem Zeit gelassen, kritisiert Elias. „Die sind erst nach mindestens zehn Minuten gekommen. Zuerst die Rettung, dann erst die Polizei.“ Besonders bemerkenswert findet er das, „weil die Polizeistation gerade einmal zwei Minuten zu Fuß entfernt ist.“ Zeugin Nadja spricht sogar von 15 Minuten, bis die Polizei eintrifft.
Rassistische Polizei?
Während Elias im Krankenwagen mit seinen schweren Verletzungen erstversorgt wird, hörte er, wie ein Mann ihn rassistisch beschuldigt: „Der Neger hat die Fensterscheibe eingeschlagen“. Ähnlich soll sich eine Frau geäußert haben, die laut Elias mit den Tätern unterwegs gewesen war. Reaktion der Polizei: „Für meine Verletzungen interessierte sich die Polizei nicht besonders. Eine Polizistin sagte mir stattdessen, dass ich Beschuldigter in einer Straftat sei.“
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Und die Polizisten sollen sich sogar selbst eindeutig rassistisch verhalten haben. „Der Neger liegt jetzt im Krankenwagen“ und „Der Neger, der geschlagen worden ist“, das wären die Aussagen der Polizei gewesen. Die Landespolizeidirektion Wien sagt dazu, dass es derzeit „Gegenstand von Ermittlungen“ wäre, „ob es tatsächlich zu diskriminierenden Äußerungen gekommen ist oder nicht“.
Vorwürfe an Polizei wegen mangelnder Tätersuche
Elias erhebt noch einen weiteren Vorwurf gegen die Polizei: Zu dem Zeitpunkt, wo die Polizei bereits eingetroffen war, soll der Täter mit dem Wagen noch greifbar gewesen sein. Eine Identitätsfeststellung sei aber nicht erfolgt.
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Die Landespolizeidirektion Wien behauptet dagegen in einer Presseaussendung, dass sich der mutmaßliche Haupttäter (die anderen werden nicht genannt) „vor dem Eintreffen der Polizei vom Tatort mit einem Fahrzeug bereits entfernt hatte“. Die entscheidende Frage aber ist, ob die Täter noch greifbar waren. Und hier wird die Darstellung von Elias auch von einer der Zeuginnnen unterstützt.
Sie sagt, dass sie den Polizisten genau gesagt hätte, in welche Richtung das Auto gefahren wäre. „Die Seestadt ist eine 30er-Zone. Die hätten die sicher noch erwischt.“ Sie hätte auch das Auto beschrieben. Doch das hätte die PolizistInnen nicht interessiert, sagt sie. „Die wollten nur wissen, was die Jugendlichen angeblich angestellt haben. Das war absurd.“ [Update: Die Polizei sagt, dass der mutmaßliche Täter inzwischen ausgeforscht sei.]
Elias kritisiert auch, dass sich die PolizistInnen vor allem auf die Jugendlichen konzentriert hätten, die ihm geholfen hatten. „Ein Polizist hat immer wieder versucht, ihnen Geständnisse wegen der Autoscheibe in den Mund zu legen“, sagt Elias. Mehrmals hätte der Polizist gesagt, sie sollten das doch zugeben. Es sind Aussagen, die kein gutes Licht auf die handelnden PolizistInnen werfen.
Elias selbst leidet weiter unter dem Angriff: „Mir geht es immer noch schlecht. Ich habe Schmerzen, ich muss Schmerzmittel nehmen. Und ich schlafe schlecht.“ Das Verhalten der Polizei findet er „vollkommen indiskutabel“. So wie Elias und andere Zeuginnnen die Ereignisse schildern, hat er damit auch völlig recht.
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