Identitäre floppen in Wien

Zu einem „Bürgertreff“ hatte die neofaschistische Gruppe „Identitäre“ für Mittwoch in Wien eingeladen. Doch nach antifaschistischen Interventionen ging die Veranstaltung gehörig in die Hose.

Ein „Vernetzungspunkt für alle Patrioten in Wien“ sollte die Veranstaltung der neuen Identitären-Tarnorganisation „Die Österreicher“ werden, hieß es großkotzig in den Ankündigungen. Äußerst großmundig hatte die Gruppe über ihre Kanäle angekündigt, dass bei der Veranstaltung gar ein „Plan zur Erneuerung Österreichs und zur Veränderung der Politik“ vorgestellt worden solle. Doch dann ging am Mittwochabend im zweiten Wiener Gemeindebezirk so ziemlich alles schief, was schief gehen kann.

Der Grund: Engagierte AntifaschistInnen aus dem Bezirk traten auf den Plan – und wurden aktiv. Entgegen ihrer üblichen Taktik in Wien hatte die neofaschistische Gruppe diesmal bereits im Vorfeld den Namen des Lokals im Stuwerviertel im 2. Bezirk bekannt gegeben.

Ahnungslose LokalbesitzerInnen

Der Besitzer der Gaststätte allerdings wusste laut eigener Aussage nichts davon, dass in seinem Lokal eine neofaschistische Veranstaltung stattfinden solle. Reserviert worden sei einfach ein Essen für rund 50 Personen, so der Besitzer. „Wir haben das Lokal dann darauf aufmerksam gemacht, dass sich dort NeofaschistInnen treffen wollen“, erzählt mir Anita, eine aktive Antifaschistin aus dem Stuwerviertel.

Die Identitären und der japanische Faschismus – Ein Code für Putsch, Gewalt und Diktatur

Nachdem das Lokal darüber informiert worden war, wer sich da treffen wollte, wurde die Reservierung für die neofaschistische Gruppe rasch storniert. Stattdessen sollte dort ein Nachbarschaftstreffen für BewohnerInnen des Viertels stattfinden. Die Reaktion der NeofaschistInnen: Es wurde massiv begonnen, Druck auf das Lokal auszuüben.

„Helft uns Linke auszuladen!“, schrieb etwa der Sprecher der Gruppe, Martin Sellner, in sozialen Netzwerken. Das Lokal dürfe nicht „zum Szenewirt für linksterroristen [sic!] werden“. Darunter postete Sellner dann sogar die Telefonnummer und die Mailadresse des Lokals.

Rechter Druck auf das Lokal

Anita nennt das eine „unglaubliche Sauerei“. Und tatsächlich ist das Verhalten der Gruppe wohl nur als dreist zu bezeichnen. Zuerst reservieren die Identitären ein Lokal für ein extrem rechtes Treffen – laut dem Besitzer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Und dann machen sie Druck auf das Lokal, weil es nicht zum Treffpunkt für die NeofaschistInnen werden möchte. Und sogar trotz der eindeutigen Absage mobilisierten die extremen Rechten dann sogar weiter zum Lokal.

Aufkleber der IB-Frontgruppe vor dem Lokal im 2. Bezirk

Noch am Dienstagabend forderten sie ihre Gefolgschaft über soziale Medien dazu auf, am Mittwoch um 18:30 Uhr vor das Lokal zu kommen. Rechte Provokationen im Lokal konnten also keineswegs ausgeschlossen werden.

AntifaschistInnen mobilisieren

Am Mittwochabend finden sich dann im Lokal selbst mehrere Dutzend AntifaschistInnen ein, viele davon aus dem Stuwerviertel. „Das ist gerade ein sehr gutes Gefühl, wir drinnen und die Faschos vor der Tür“, sagt mir Aktivist Daniel im Lokal. Er erzählt, dass er die ersten Jahre seines Lebens sogar genau in der Straße aufgewachsen ist, wo sich das Lokal befindet.

Extreme Rechte zeigen immer öfter ein neues White-Power-Zeichen

Einzelne FaschistInnen versuchen unterdessen vor dem Lokal, potentielle BesucherInnen der rechten Veranstaltung in ein Ersatzlokal zu lotsen. „Bist Du für die Österreicher“ ist scheinbar die Losung des Tages. Auch starke Polizeikräfte sind inzwischen vor dem Lokal eingelangt, verhalten sich aber weitgehend ruhig. Doch auch im nächsten Lokal haben die NeofaschistInnen wenig Glück.

Empörte LokalbesitzerInnen

Rund 500 Meter entfernt soll nun die Veranstaltung der rechten Truppe in einem anderen Lokal stattfinden. Als ich dort eintreffe, sehe ich Besitzer und Kellner in heller Aufregung. „Überall kleben da so Österreich-Zuerst-Aufkleber, niemand hat uns gesagt, dass hier eine Veranstaltung geplant ist“, so der Besitzer aufgebracht zu mir. „Die haben einfach eine Reservierung zum Essen gemacht“, erzählt er. Die Besitzerin zeigt sich im Gespräch mit mir verzweifelt.

„Ich lebe für meinen Job und für mein Lokal. Aber so etwas will ich nicht bei mir in der Gaststätte haben“, sagt sie. Die Identitären sollten sich ein anderes Lokal suchen, fordert sie. Sie hätte sie bereits aufgefordert, das Lokal zu verlassen, doch die NeofaschistInnen würden sich weigern. Auch hier also die Taktik, das Lokal in Geiselhaft zu nehmen.

„Schleicht’s euch“

Unterdessen nimmt vor dem Lokal auch die Anzahl der AntifaschistInnen zu. „Schleicht´s euch, ihr Faschos“ und ähnliche Parolen rufen AktivistInnen mehrmals durch die Fenster. Ein Kellner sagt, dass das Telefon nicht mehr stillstehen würde, immer mehr Menschen würden anrufen und sich über die Veranstaltung beschweren.

Nazi-Leak: Wien ist die Hölle für Nazis

Die Stimmung unter den BesucherInnen der neofaschistische Veranstaltung im Lokal wirkt zunehmend gedrückt. Es gibt keine Veranstaltung, die rund 60 hoffnungsvollen „Österreicher“ sitzen ziemlich sinnlos im Lokal und dazu noch auf dem Trockenen: Nachdem die LokalbesitzerInnen die NeofaschistInnen aus dem Lokal haben wollen, werden nicht einmal Getränke serviert.

Kommando Abgang

Manche Kader der Gruppe werden zunehmend aggressiv, ein Fotograf und ich werden beschimpft, gleichzeitig wird hektisch telefoniert und offenbar nach einem Ersatztreffpunkt gesucht. Kurz nach 20 Uhr kommt schließlich Bewegung im Raum auf, das Lokal wird geschlossen verlassen. Dabei haben die Rechten offenbar Angst vor anwesenden AntifaschistInnen: „Männer nach vorne, Frauen nach hinten“, gibt ein Kader beim Verlassen des Lokals als Kommando aus.

Die FachistInnen packen ein und räumen das Lokal

Die – vermeintlich – „kampfschwächeren“ Frauen im hinteren Teil des Abmarsch allein zu lassen, ist zwar eine etwas skurrile Taktik. Doch das wäre eine andere Geschichte. Beim Abgang aus dem Lokal zeigt mir der offizielle Sprecher der „Österreicher“-Frontgruppe dann das neue „White Power“-Zeichen der extremen Rechten in die Kamera.

Während die BesucherInnen der faschistischen Veranstaltung das Lokal räumen, beginnt es stark zu regnen und sogar zu hageln. Wenn du kein Glück hast, kommt auch noch Pech dazu.

Weinerliches Video

Lange kann ein mögliches weiteres Ersatztreffen der NeofaschistInnen danach jedenfalls nicht mehr gedauert haben. Noch vor 22:00 Uhr postet Sellner ein Video, wo er sich weinerlich über „die Feigheit der Wiener Wirte“ beklagt. Er behauptet auch, dass der offizielle Sprecher der „Österreicher“ zuvor einen Sack über den Kopf gestülpt bekommen und einige Schläge kassiert hätte. Eine unabhängige Bestätigung dafür liegt zur Zeit nicht vor.

Doch all das deutet daraufhin, dass die meisten BesucherInnen der Veranstaltung wohl spätestens nach dem zweiten Flop am gleichen Abend das Weite gesucht haben. Der Mittwoch kann also wohl als eindeutige Niederlage für die neofaschistische Gruppe „Identitäre“ in Wien betrachtet werden.

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