Opfer zu Tätern gemacht

Bild: Michael Bonvalot

[jw] Nach einem Überfall von Neonazis in Wien stehen die Angegriffenen vor Gericht

[Erstveröffentlichung: junge welt] Es ist der 27. Oktober 2013, die linke Gewerkschaftsfraktion KOMintern hält gerade eine Sitzung in einem Kulturverein ab. Aus dem Treppenhaus ertönt plötzlich der Ruf: »Da sind Nazis!« Doch kaum hat Gewerkschafter Rudolf F. die Versammlung gewarnt, wird er schon niedergeschlagen. F. erleidet dabei eine Schädelprellung, eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde. Danach dringen rund 30 Neonazis der Hooligangruppe »Unsterblich« in das linke Kulturzentrum Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Wien-Favoriten ein. Sie sind bewaffnet mit Holzknüppeln, Steinschleudern und Flaschen.

Die Faschisten waren offenbar auf dem Weg zum traditionellen Fußball-Derby zwischen Austria und Rapid Wien. Das EKH liegt zwischen dem Kellerlokal der »Unsterblichen« und dem Stadion und war schon öfter Ziel von Provokationen. Die Neonazis hatten allerdings nicht mit Widerstand gerechnet. Die Kollegen stellten sich dem Angriff entgegen und konnten die Hooligans in die Flucht schlagen. Die anschließende Verfolgung endete erfolgreich, neun Rechte wurden bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.

Aktivisten der antirassistischen Austria-Faninitiative »OSTkurve statt USTkurve«, die sich gegen die »Unsterblichen« engagieren, haben schon länger auf deren politische Ausrichtung hingewiesen. »Die Gruppe ist eindeutig neonazistisch. Es bestehen Verbindungen zum NS-Terrornetzwerk ›Blood and Honour‹, in der Kurve treten die Nazis mit Reichskriegsfahnen, Reichsadler und Keltenkreuz auf. Auch in die FPÖ gibt es gute Kontakte«, erklärten sie.

In der vergangenen Woche hat der Prozeß gegen die »Unsterblich«-Hooligans begonnen. Ein Urteil ist erst Ende September zu erwarten. Einer der Neonazis muß sich wegen Körperverletzung verantworten, die anderen stehen lediglich wegen Hausfriedensbruch vor Gericht. Doch auch zwei KOMintern-Aktivisten sind wegen Körperverletzung angeklagt. Daß die einen – laut Zeugenaussagen unter Nazi­parolen – eine Versammlung angegriffen haben und die anderen deren Opfer waren und selbst die Polizei riefen, zählt offenbar nicht.

Die Faschisten von »Unsterblich« stellen sich nun dumm und wollen alle nur zufällig in der Gegend gewesen sein. Das Bündnis »Offensive gegen rechts« (OGR) kritisiert die Justiz, weil sie die politische Dimension des Angriffs völlig ausblendet habe. Käthe Lichtner von der OGR sagt: »Der Prozeß steht in einer Linie von Vorfällen bei Polizei und Justiz, die veranschaulichen, daß Rechtsextreme relativ wenig zu befürchten haben. Gleichzeitig werden Antifaschisten kriminalisiert und in absurden Prozessen ohne Beweise drangsaliert.«

Der verantwortliche Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter war bereits an der Verurteilung des Jenaer Antifaschisten Josef S. beteiligt. Der Student saß nach den Protesten gegen den rechten Akademikerball über Monate in Wien in U-Haft (jW berichtete). Es war aber auch Kronawetter, der die Ermittlungen im Fall der OGR-Aktivistin Natascha Strobl nach Morddrohungen gegen diese einstellte. Selma Schacht von KOMintern sagt dazu: »Alles andere als ein Freispruch wäre absurd. Doch allzu großes Vertrauen in eine Justiz, die vor allem Linke im Visier hat und offensichtlich auf dem rechten Auge blind ist, ist nicht angebracht.«

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