Erstveröffentlichung: ND, 04.02.2017
Rund 4000 Antifaschisten gingen laut Veranstaltern am Freitagabend gegen den Akademikerball der deutschnationalen Burschenschaften in der Wiener Hofburg auf die Straße. Die Polizei sprach von 2800 Teilnehmern. Laut Bilanz der Polizei erfolgten 97 Identitätsfeststellungen und 35 Anzeigen.
Bereits seit mehreren Jahren sorgt der Ball der Burschenschafter für große Proteste, zu denen auch international mobilisiert wird. Der Ball in Wien gilt als eines der größten rechtsextremen Vernetzungstreffen im deutschsprachigen Raum. Die Studentenverbindungen haben in Österreich enormes politisches Gewicht, sie gelten als ideologisches Rückgrat der rechtspopulistischen FPÖ.
Die meisten zentralen Figuren der FPÖ, angefangen bei Parteichef Heinz-Christian Strache, sind Mitglieder von Burschenschaften. Dementsprechend nahm Strache in vergangenen Jahren regelmäßig am Rechtswalzer in den Prunkräumen der Hofburg teil. 2017 ließ er sich krankheitsbedingt entschuldigen, doch mit Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer war eine passende Vertretung zur Stelle.
Während es bei den Protesten gegen den Ball in den vergangenen Jahren wiederholt zu Auseinandersetzungen kam, blieb die Demonstration in diesem Jahr ruhig. Verantwortlich dafür war auch ein verändertes Konzept der Veranstalter. Nachdem die »Offensive gegen Rechts« (OGR) in den vergangenen Jahren zu Blockaden aufgerufen hatte, beließ sie es diesmal bei einer Demonstration.
Käthe Lichtner von der OGR, einem breiten linken Bündnis, das von sozialdemokratischen Jugendorganisationen sowie von marxistischen und trotzkistischen Organisationen getragen wird, sieht die Demonstration als vollen Erfolg: »Durch unsere Proteste haben wir es geschafft, die Rolle der Burschenschaften ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Und auch 2017 konnten wir mehrere tausend AntifaschistInnen gegen Burschenschaften und FPÖ mobilisieren.«
Für Irritation bei den Veranstaltern sorgte allerdings der neu gewählte grüne Bundespräsident Alexander van der Bellen. Er hatte sich zum Ball mit der Aussage »Was geht es mich an? Lasst sie doch« zu Wort gemeldet.
Bereits ab dem späten Nachmittag waren Teile der Wiener Innenstadt menschenleer, die Polizei hatte ein umfangreiches Platzverbot verhängt. Rund 2700 Beamte waren zum Schutz der rechten Ballgäste im Einsatz. Im Vorfeld der Demonstration sorgten die Behörden zusätzlich für Aufregung. Die Polizei verkündete, dass sie nach der Demonstration auf einem neu geschaffenen Youtube-Kanal Aufnahmen der Proteste online stellen würde. In der oberösterreichischen Hauptstadt Linz forderte die Polizei im Vorfeld der Demonstration gegen den dortigen Burschenschafter-Ball am heutigen Samstag die namentliche Nennung von 50 Ordnern. Die Veranstalter von »Linz gegen Rechts« wiesen das allerdings zurück und konnten sich damit durchsetzen.
Innenminister Wolfgang Sobotka von der konservativen ÖVP forderte in einem Vorstoß sogar deutliche Einschränkungen des Demonstrationsrechts. So sollen Demo-Veranstalter künftig zivilrechtlich für Schäden haftbar sein; die Polizei solle Verbote erlassen können, wenn wirtschaftliche Einbußen befürchtet würden und die Anmeldefrist für Demonstrationen sollte deutlich verlängert werden. Der sozialdemokratische Koalitionspartner lehnt das derzeit noch ab, doch die ÖVP will einen Gesetzesvorschlag vorlegen.
Im Anschluss an die Demonstration kam es doch noch zu mehreren kleineren Blockaden. Wie »nd« beobachtete, wurde dabei unter anderem eine Gruppe von rund 20 Personen eingekesselt und allen Betroffenen mit Anzeigen gedroht. Einzelne Rechtsextreme, die sich im Zentrum Wiens aufhielten, sollen von Antifaschisten attackiert worden sein.