[AW] Niemand kann überrascht sein: Bereits die erste ÖVP/FPÖ-Koalition war eine Regierung des Sozialabbaus, der Privatisierungen und der Geschenke für Unternehmen.
[Erstveröffentlichung: Arbeit und Wirtschaft] Unterirdisch mussten die Regierungsmitglieder von ÖVP und FPÖ im Jahr 2000 über den Wiener Ballhausplatz zur Angelobung schleichen. Oben demonstrierten Tausende gegen die erste schwarz-blaue Koalition nach 1945. Viele DemonstrantInnen waren vor allem besorgt über die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Und bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass nun auch massive soziale Kürzungen folgen würden. Das Regierungsprogramm war diesbezüglich eindeutig – und vieles darin klingt erstaunlich vertraut.Vereinbart wurden im Koalitionsübereinkommen von ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 2000 unter anderem der Abbau von 9.000 Stellen im öffentlichen Dienst, Pensionskürzungen, Studiengebühren, die Beschaffung von Militärflugzeugen (Eurofighter) sowie die Verpflichtung von langzeitarbeitslosen Menschen zur Zwangsarbeit, unter anderem bei der Denkmalpflege.
Vereinbart wurden im Koalitionsübereinkommen von ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 2000 unter anderem der Abbau von 9.000 Stellen im öffentlichen Dienst, Pensionskürzungen, Studiengebühren, die Beschaffung von Militärflugzeugen (Eurofighter) sowie die Verpflichtung von langzeitarbeitslosen Menschen zur Zwangsarbeit, unter anderem bei der Denkmalpflege. Unternehmen hingegen konnten sich die Hände reiben. Vorgesehen waren unter anderem die Privatisierung der Krankenanstalten, der P.S.K. und großer Teile der Bundesimmobiliengesellschaft. Weitere Geschenke waren über die Senkung der Lohnnebenkosten vorgesehen, unter anderem bei der Unfall- und der Arbeitslosenversicherung. Umweltverträglichkeitsprüfungen sollten „abgeschlankt“ werden.
Dieses Programm durfte niemanden überraschen. Die ÖVP galt und gilt seit ihrer Gründung als zentrale Partei der österreichischen UnternehmerInnen. Doch auch die FPÖ war bereits in ihrer Gründungsphase eine Partei industrieller Kreise, insbesondere aus Oberösterreich und Südösterreich. Besonders offensichtlich wurde diese Ausrichtung, nachdem 1986 Jörg Haider die Partei übernommen hatte. Im Jahr 1993 veröffentlichte Haider sein Buch „Die Freiheit, die ich meine“.
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Die Lektüre lohnt noch heute, denn es zeigt, dass über alle Brüche hinweg die wirtschaftspolitischen Positionen der FPÖ konstant (neoliberal) geblieben sind. Das meiste, was Haider 1993 schrieb, bildet die aktuelle programmatische Grundlage der FPÖ, wie ihr Wirtschaftsprogramm von 2017 zeigt.
Attacken auf den Sozialstaat
In Haiders Thesen finden sich etwa massive Attacken auf den Sozialstaat und auf die angeblich „Faulen, die Nichtstuer, die Sozialschmarotzer“. Der Abschied vom „Versorgungsstaat“ sei „unvermeidbar“. Statt staatlicher Pflege sollten Familien die Pflege übernehmen – was vor allem auf Kosten von Frauen gehen würde. Das Arbeits- und Sozialrecht würde „die Mobilität der Arbeitnehmer“ hemmen, die Arbeiterkammer solle sich auflösen, Privatisierungen seien „unumgänglich“. Mit diesem Programm wurde Jörg Haider zum Darling österreichischer UnternehmerInnen. Hohe Summen sollen geflossen sein, die der FPÖ ihren Aufstieg ermöglichten. Parallelen zum „Ibiza-Video“ sind offensichtlich.
Bereits im Jahr 2000 folgte eine erste „Pensions(kürzungs)reform“. Das Pensionsantrittsalter wurde um eineinhalb Jahre angehoben, bei vorzeitigem Pensionsantritt wurden die Abschläge erhöht.
Im Februar 2000 war die FPÖ schließlich am Ziel ihrer Wünsche und in der Regierung angekommen. Doch schnell geriet sie in eine Krise, und im September 2002 eskalierte die Situation auf einem Parteitag im steirischen Knittelfeld. Es folgten Neuwahlen. Zu diesem Zeitpunkt hatten ÖVP und FPÖ bereits eine ganze Reihe von Kürzungen auf den Weg gebracht. Bereits im Jahr 2000 folgte eine erste „Pensions(kürzungs)reform“. Das Pensionsantrittsalter wurde um eineinhalb Jahre angehoben, bei vorzeitigem Pensionsantritt wurden die Abschläge erhöht, die Pensionen für Witwen/Witwer wurden gekürzt; und die vorzeitige Alterspension bei geminderter Erwerbsfähigkeit wurde abgeschafft.
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Im Gesundheitsbereich kamen Ambulanzgebühren, die nach längerem Hin und Her vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden. Für Beschäftigte gab es Verschlechterungen etwa durch die Abschaffung des Postensuchtages bei Selbstkündigung oder die Einführung der Urlaubsaliquotierung. Erste Privatisierungen wurden auf den Weg gebracht. Und schließlich wurde die Einführung von Studiengebühren beschlossen.
Blaupause
Durch die Probleme der FPÖ hielt die erste schwarz-blaue Koalition zwar nicht lange. Doch nach den Neuwahlen im Jahr 2002 beschlossen die beiden Parteien eine neuerliche Zusammenarbeit. Und das Koalitionsübereinkommen von 2002 war eine Blaupause der Pläne aus dem Jahr 2000. So wurde etwa die Anzahl der Stellen, die im öffentlichen Dienst abgebaut werden sollten, auf 10.000 erhöht.
Durch die Probleme der FPÖ hielt die erste schwarz-blaue Koalition zwar nicht lange. Doch nach den Neuwahlen im Jahr 2002 beschlossen die beiden Parteien eine neuerliche Zusammenarbeit.
Die Ladenöffnungszeiten sollten verlängert werden. Und schließlich war schon damals geplant, die Notstandshilfe abzuschaffen und in eine „Sozialhilfe neu“ zu integrieren. Für Unternehmen gab es weitere Privatisierungen: Auf der Liste standen unter anderem die Voest, die Post, die Bergbau Holding, die Stromversorger sowie die Bundeswohngesellschaften (Buwog). Die ÖBB sollten in ihre Einzelteile zerlegt werden.
Umstrittene Pensionskürzungen
Der zentrale soziale Angriffspunkt der neu gewählten Regierung war aber eine weitere drastische Pensionskürzung, die sogenannte Pensionsreform 2003. Der ÖGB mobilisierte im Juni 2003 zu einem eintägigen Generalstreik und einer Großdemonstration in Wien. Als Reaktion auf die Mobilisierung der Gewerkschaft wurden einige Elemente aus dem Entwurf zurückgenommen. Doch wesentliche Kürzungen wurden von ÖVP und FPÖ umgesetzt. Diese Pensionskürzungen wurden von keiner nachfolgenden Regierung zurückgenommen und haben daher bis heute drastische Auswirkungen für Beschäftigte.
Im November 2003 folgte dann der mehrtägige Streik der EisenbahnerInnen. Die Regierung wollte massiv Stellen kürzen, in das Dienstrecht der KollegInnen eingreifen, die Befugnisse der PersonalvertreterInnen beschneiden und die ÖBB in kleine Einheiten aufspalten – eine übliche Vorbereitung für (Teil-)Privatisierungen.
Im November 2003 folgte dann der mehrtägige Streik der EisenbahnerInnen. Die Regierung wollte massiv Stellen kürzen, in das Dienstrecht der KollegInnen eingreifen, die Befugnisse der PersonalvertreterInnen beschneiden und die ÖBB in kleine Einheiten aufspalten – eine übliche Vorbereitung für (Teil-)Privatisierungen.
Wesentliche Teilerfolge konnten mit dem Streik erreicht werden, die Aufspaltung der ÖBB wurde allerdings umgesetzt. Die damals in der Gewerkschaftsbewegung debattierte Frage, ob und welche Erfolge bei einer Fortführung und Ausweitung des Streiks möglich gewesen wären, muss offenbleiben.
Nach dem Generalstreik und dem EisenbahnerInnenstreik von 2003 hatte die schwarz-blaue Regierung jedenfalls eindeutig ihre Dynamik verloren. Unmittelbar spürbare soziale Kürzungen für die breite Masse der Bevölkerung wurden nach dem Jahr 2003 kaum noch umgesetzt.
2005 folgten dann auch noch die Spaltung der FPÖ und die Gründung des kurzlebigen BZÖ durch Jörg Haider. Dennoch war die schwarz-blau/orange Koalition auch nach den Streiks von 2003 nicht untätig. Einerseits wurden (Teil-)Privatisierungsvorhaben umgesetzt, etwa der Voest, der Post oder der Buwog. Mit Korruptionsfällen im Zuge dieser Privatisierungswelle beschäftigen sich die Gerichte teils bis heute.
Unternehmen und Konzerne profitierten von massiven Steuergeschenken: 2005 wurde der Steuersatz für die Körperschaftsteuer gesenkt, die Gruppenbesteuerung, ein Steuerzuckerl für Konzerne, wurde ausgeweitet.
Andererseits profitierten Unternehmen und Konzerne von massiven Steuergeschenken: 2005 wurde der Steuersatz für die Körperschaftsteuer gesenkt, die Gruppenbesteuerung, ein Steuerzuckerl für Konzerne, wurde ausgeweitet. Die Folge laut einer Analyse im Blog der Arbeit&Wirtschaft aus dem Jahr 2013: „Während die ArbeitnehmerInnen-Belastung Rekordwerte erreichte, waren die Unternehmensteuern in Prozent des Gesamtsteueraufkommens nach der Regierungszeit von Schwarz-Blau an der letzten Stelle aller Industriestaaten.“
Und schließlich gab es auch Angriffe auf einzelne Bevölkerungsgruppen. So wurden 2005 zahlreiche Verschlechterungen für geflüchtete Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund durchgesetzt.
Mit den Nationalratswahlen im Oktober 2006 war Schwarz-Blau/Orange vorerst am Ende. Tatsächlich abgewählt wurde der „Bürgerblock“ allerdings nicht: ÖVP, FPÖ und BZÖ hätten gemeinsam eine Mehrheit im Parlament gehabt. 2017 versuchten ÖVP und FPÖ nun einen neuerlichen Anlauf, das Ergebnis ist bekannt. Aufschlussreich ist, wie sehr die Programme und das Koalitionsabkommen der beiden Parteien aus dem Jahr 2017 den Vorhaben der 2000er-Jahre gleichen.
Nicht zuletzt daran zeigt sich, dass soziale Kürzungen durch ÖVP und FPÖ keine Betriebsunfälle oder Umfaller sind – sondern das grundlegende Programm der beiden Parteien darstellen. Ob eine mögliche Neuauflage von Schwarz-Blau weitere soziale Kürzungen umsetzen kann, wird allerdings nicht zuletzt an den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen liegen.
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