Schwarz-blaues Streichkonzert

[ND] Seit dem 15. Dezember 2017 regiert in Wien eine Regierung aus rechtskonservativer ÖVP und rechtsextremer FPÖ.

[Erstveröffentlichung: ND, 17.12.2018] Die Mindestsicherung, das ist in Österreich eine Grundabsicherung für die Ärmsten der Gesellschaft. Als Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache im November 2018 massive Kürzungen bei dieser allerletzten Absicherung verkünden, zeigen sich beide zufrieden. Besonders betroffen von der Kürzung sind Familien mit Kindern, Menschen ohne Pflichtschulabschluss sowie Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen. Familien etwa werden künftig ab dem dritten Kind nur noch  43 Euro monatlich pro Kind erhalten.

Wenn nicht gekürzt würde, sei es zu „unattraktiv“, arbeiten zu gehen, erklärt Sebastian Kurz, Bundeskanzler und Vorsitzender der konservativen ÖVP (Österreichische Volkspartei). Sein Vize Strache von der rechtsextremen FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) assistiert. Die Mindestsicherung dürfe „nicht zur sozialen Hängematte verkommen“.

Begründet wird die Kürzung von Kurz und Strache mit dem Thema Migration. „Deutsch wird der Schlüssel zur vollen Mindestsicherung“, erklärt Kurz. Die sogenannte Reform der Mindestsicherung kann damit symptomatisch für die Politik der Rechts-Regierung in Wien stehen: Während massive Sozialkürzungen umgesetzt werden, wird öffentlichkeitswirksam das Thema Migration getrommelt.

Keine Überraschung

Weder die Politik der ÖVP-FPÖ-Koalition noch ihr Zustandekommen sollten überraschen. Bereits vor den Nationalratswahlen im Oktober 2017 war weithin erwartet worden, dass es eine „schwarz-blaue“ Koalition gebildet würde, wenn die beiden Parteien eine Mehrheit erhalten.

Die ÖVP unter ihrem neuen Shooting-Star Sebastian Kurz wollte unbedingt an die Spitze. Zuvor hatten die Konservativen seit 2006 mit der SPÖ regiert, den Kanzler stellten aber immer die Sozialdemokraten. Strategisch setzte die ÖVP bereits im Wahlkampf auf einen klaren Rechtskurs.

Die FPÖ zeigte ebenfalls eindeutig ihren Willen zum Regierungseintritt. Im Wahlkampf gab Parteichef Strache bereits die Rolle des Staatsmanns, indem er weniger polternd als üblich auftrat. Als wichtige Vorleistung für eine Koalition hatte die FPÖ im August 2017 auch ein neues Wirtschaftsprogramm vorgestellt, dass die eindeutig neoliberale Ausrichtung der „Freiheitlichen“ nochmals betonte.

Neoliberale Heimatpartei

Diese öffentliche Festlegung der FPÖ war dabei nur konsequent: In der Öffentlichkeit benutzen die Freiheitlichen zwar seit Jahren den Slogan „Soziale Heimatpartei“, doch auf Basis ihrer Programmatik kann die FPÖ als Speerspitze des Neoliberalismus begriffen werden.

 

Die FPÖ – Partei der Reichen

 

Am Wahltag wurden es schließlich satte 57,5 % für die beiden Parteien, davon 31,5 % für die ÖVP und 26 % für die FPÖ. Letztlich war dieses Ergebnis allerdings keine Überraschung: Eine Mehrheit rechts von Sozialdemokratie und Grünen gab es in Österreich bereits bei jeder Wahl seit 1983.

Die Regierungsverhandlungen zwischen den beiden Parteien verliefen dem Vernehmen nach dann sehr amikal. Am 15. Dezember 2017 verkündeten Kurz und Strache eine Übereinkunft. Im Zentrum des Regierungsprogramms, auf das sich die beiden Parteien geeinigt haben, finden sich der Wirtschafts-und Sozialbereich sowie Migration und innere Aufrüstung. Und nun wird es Schritt für Schritt abgearbeitet.

Vor allem enthält das Regierungsprogramm zahlreiche massive Sozialkürzungen. Neben der Kürzung der Mindestsicherung wurde bereits die Anhebung der täglich erlaubten Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden umgesetzt. Eine Kürzung des Arbeitslosengeldes und drastische Einsparungen im Gesundheitssektor sind ebenfalls in Vorbereitung.

Steuergeschenke für Reiche

Teils sollen die Kürzungen unmittelbar als Erleichterungen an die Betriebe weitergegeben werden, weitere Steuersenkungen für Reiche und Betriebe sind in Planung. In ihrer Gesamtheit würden die geplanten Steuergeschenke für Vermögende das gesamte Sozialsystem in Österreich verändern und infrage stellen.

Mindestsicherung: „Es soll sich niemand mehr schämen“

Ein weiterer zentraler Schwerpunkt der Regierung sind Aufrüstung und die autoritäre Stärkung der Staatsapparat. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl hat auch eine Rekrutierungsoffensive für den Polizeidienst eingeleitet – die Inserate dazu werden in rechtsextremen Medien geschalten.

Bereits im Frühjahr sorgte eine Razzia einer FPÖ-nahen Polizeieinheit im Inlandsgeheimdienst für einen riesigen Skandal. Es gibt hartnäckige Gerüchte, dass die FPÖ dabei die Erkenntnisse des Geheimdienstes über die Burschenschaften in die Hände bekommen wollte. Parallel dazu setzt die FPÖ ihre burschenschaftlichen Kader an die Schaltstellen des Staatsapparats.

Kurze Burschenschafter-Wege vom Neonazi-Security zur FPÖ-Spitze 

Öffentlichkeitswirksam werden gleichzeitig regelmäßig neue Maßnahmen gegen geflüchtete Menschen bekannt gegeben. In Niederösterreich etwa ließ der zuständige FPÖ-Landesrat jüngst unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in eine gefängnisartige Unterkunft einsperren. Erst nach massiven Protesten wurde diese mutmaßlich illegale Maßnahme wieder aufgehoben.

Schwache Opposition

Die Opposition macht es der Regierung derzeit sehr einfach. Die Sozialdemokratie ist weitgehend mit sich selbst beschäftigt und versucht teilweise, die FPÖ rechts zu überholen. Die Grünen sind bei den letzten Wahlen aus dem Nationalrat geflogen und in einem Neufindungsprozess. Ihre rechte Abspaltung, die Liste Jetzt, hat zwar den Sprung ins Parlament geschafft, gibt dort allerdings ein chaotisches Bild ab. Am ehesten stabil wirken noch die neoliberalen NEOS, die Schwesterpartei der FDP.

Die außerparlamentarische Linke konnte ihre traditionelle Schwäche noch nicht überwinden. Sie spielt zwar eine wesentliche Rolle bei der Organisierung großer Proteste. Doch die Regierung zeigt sich davon wenig unbeeindruckt. Kein Wunder, gehen doch vor allem jene auf die Straße, die ohnehin nicht zur Wählerschaft der beiden Parteien gehören.

Auch in allen Umfragen ist die Regierung stabil. Offensichtlich entspricht die Politik der Regierung weitgehend den Wünschen der Wähler. Bei weiteren Sozialkürzungen könnte aber vor allem die FPÖ durchaus in Turbulenzen geraten, immerhin sind Teile ihrer Wählerschaft unmittelbar betroffen.

Knackpunkt Sozialbereich

Ein erster Knackpunkt hätten die Proteste gegen den 12-Stunden-Tag vor dem Sommer werden können. Rund 100.000 Menschen waren in Wien auf der Straße, laut Umfragen hätten 59 % der Bevölkerung Streiks für gerechtfertigt gehalten. Die Gewerkschaftsspitze allerdings scheute von der Ausrufung eines Generalstreiks zurück. Im Herbst gab es dann zwar Teilstreiks etwa im Metallbereich, doch keine Vollmobilisierung.

Die Politik von ÖVP und FPÖ geht klar über einzelne Maßnahmen hinaus. Für die beiden Parteien geht es offensichtlich um einen neoliberalen, völkischen und autoritären Gesamtumbau des Staates. Ob das den beiden Parteien gelingt, wird nicht zuletzt vom Widerstand der sozialen Bewegungen abhängen.

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