Niederlage vor Gericht für Martin Sellner gegen Michael Bonvalot. Das Identitären-Gesicht könnte jetzt auf hohen Kosten sitzenbleiben.
„Die klagende Partei ist schuldig“, der beklagten Partei die Verfahrenskosten zu ersetzen. So hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien am 13. April in einem Verfahren zwischen Identitären-Gesicht Martin Sellner und mir entschieden.
Sellner hatte mich geklagt – doch laut Urteil müsste mir das Gesicht der neofaschistischen Gruppe Identitäre nun über 2500 Euro an Verfahrenskosten ersetzen. Dazu würde er auf seinen eigenen Anwaltskosten sitzen bleiben. Da Sellner das Urteil nicht akzeptieren will und in Berufung geht, ist das Urteil nicht rechtskräftig. Nachdem ich noch abwarten wollte, ob Sellner beruft, erscheint dieser Artikel, nachdem die Berufung eingelangt ist.
Worum geht es?
Sieg vor dem Zivilgericht
Seit August 2020, also seit mittlerweile fast zwei Jahren, läuft ein Rechtsstreit zwischen Sellner und mir. Dabei geht es um meine Vorort-Reportage von einem Aufmarsch der Gruppe Identitäre am 7. März 2020 vor der griechischen Botschaft in Wien sowie den Protesten gegen diesen Umzug. Ich hatte in einem Tweet vor Ort auf Basis mehrere Zeug*innenaussagen, unter anderem durch einen Polizisten, von einem Angriff der Identitären am Wiener Karlsplatz geschrieben.
Nach weiteren Recherchen vor Ort zeigte sich aber, dass die Auseinandersetzung zunächst von anwesenden Antifaschist*innen ausging. Ich hatte die erste Darstellung daher bereits sechs Minuten später in einem weiteren Tweet relativiert. Dennoch hat mich Sellner sowohl strafrechtlich wie zivilrechtlich geklagt. Zivilrechtlich hat das Gericht jetzt in erster Instanz gegen den extremen Rechten entschieden.
Strafrechtlich hatte die Sache noch anders ausgesehen. Das Verfahren ging bereits im Mai 2021 rechtskräftig verloren, nachdem ich mich entschieden hatte, gegen das Urteil erster Instanz nicht zu berufen. Es war eine Abwägung der Chancen und Kosten: Die Auseinandersetzung am Karlsplatz hatte mehrere Minuten gedauert, es ging zwischen den Antifaschist*innen und den extremen Rechten hin und her. Eine erstgerichtliche Beweiswürdigung ist grundsätzlich schwer bekämpfbar.
Das Urteil im Prozess Sellner vs Bonvalot kam sehr überraschend. Das Gericht hat einzig Sellners Darstellung geglaubt, unserer nicht. Mehreren Zeug*innenausagen und Fotos wurde vor Gericht kein Glauben geschenkt. Eine Berufung ist leider dennoch wenig aussichtsreich. 1/ pic.twitter.com/Lr1cQE9G6m
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 11, 2021
Zahlen für ein Identitären-Zentrum? Sicher nicht.
Vor dem Zivilgericht ging es nun aber um die Frage, was rechtlich vor dem Einreichen der Klage durch Sellners Anwalt Lukas Friedl passiert war. Ausgangspunkt war ein Schreiben von Friedl im August 2020 mit der Aufforderung, die Aussage zu widerrufen, dass Sellner an einem Angriff mit Pfefferspray auf eine Kundgebung der Sozialistischen Jugend teilgenommen hätte.
Dieser Aufforderung bin ich dann auch nachgekommen. Kein Thema: Ich hatte ohnehin nie behauptet, dass Sellner angegriffen hatte. Doch Sellner wollte nicht nur den Widerruf und die Anwaltskosten, sondern auch 2000 Euro für einen „Kulturverein Kreidfeuer“. Dabei handelt es sich allerdings keineswegs um einen harmlosen Kulturverein – sondern um den Trägerverein des steirischen Identitären-Zentrums „Kulturfestung“ in Markt Hartmannsdorf, einem kleinen Ort östlich von Graz. Ich habe keine Veranlassung gesehen, eine solche Zahlung zu leisten.
Die Identitären und der japanische Faschismus – Ein Code für Putsch, Gewalt und Diktatur
Vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wurde nun eine juristische Fragestellung verhandelt: Kurz zusammengefasst geht es darum, ob mein Angebot im Vorfeld der Klage, einen Unterlassungsvergleich gerichtlich protokollieren zu lassen, bereits ausreichend ist. Das ist der Rechtsstandpunkt, den meine Medienrechtsanwälten Maria Windhager und ich einnehmen.
Sellners Klage war überflüssig, sagt das Erstgericht
Lukas Friedl dagegen, der oberösterreichische Rechtsvertreter von Sellner, behauptet, dass keine Unterlassungserklärung abgegeben worden sei. Das bloße Angebot würde nicht reichen. Zur Erinnerung: Den Widerruf hatte ich bereits freiwillig abgegeben.
Aus dieser scheinbaren juristischen Spitzfindigkeiten ergeben sich allerdings hohe Kosten: Denn wenn mein Vergleichsangebot bereits jede Gefahr zur Wiederholung einer Behauptung beseitigt hat, gibt es auch keinen Grund für die Klage von Sellner. Er hat alles, was er mit einer Klage erreichen kann, auch ohne diese Klage bekommen. Sellners Klage war damit überflüssig. So sehen das meine Anwältin und ich – und so sieht das jetzt auch das Erstgericht.
Für Sellner bedeutet das, dass er – nicht rechtskräftig – schuldig zum Ersatz der Kosten verurteilt wurde. Damit müsste er mir insgesamt 2.531,93 Euro an Rechtsanwaltskosten ersetzen, die für mich angelaufen waren. Dazu würde er vollständig auf den Kosten für seinen eigenen Anwalt sitzen bleiben.
Danke für Deine Unterstützung!
Nun geht das Verfahren also eine Instanz weiter. Das ist natürlich mühsam, es kostet Zeit und Ressourcen. Doch wenn das Identitären-Gesicht eine Instanz weitergehen will, dann werden wir die Frage dort eben erneut vor Gericht ausfechten.
Ich kann solche Verfahren nur mit Deiner Unterstützung führen! An dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle, die dieses und weitere Verfahren bereits bisher unterstützt haben und noch weiter unterstützen – und mir so dabei helfen, mich gegen Sellner und andere extreme Rechte juristisch zur Wehr zu setzen!
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