Eine Aussendung der „Verbands der österreichischen Tafeln“ wirft grundsätzliche Fragen auf.
Die sogenannten Tafeln haben es sich zum Ziel gesetzt, arme Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Doch eine neue gemeinsame Plattform von Österreichs Tafeln sowie mehreren großen Handelskonzernen zeigt exemplarisch die Probleme dieses Ansatzes. Der Name der Plattform lautet: „Aktionsplattform Lebensmittelhandel zur Förderung der Tafelarbeit und zur Vermeidung von Lebensmittelabfall“ Doch sollen arme Menschen wirklich unter dem Titel Abfallvermeidung laufen?
Im Jahr 2017 haben Österreichs Tafeln insgesamt 2.414.839 Kilogramm Lebensmittel und Hygieneartikel gesammelt, wie es in einer Aussendung des „Verbands der österreichischen Tafeln“ vom 27. März stolz heißt. Diese Produkte seien damit „vor der Vernichtung“ gerettet worden und stattdessen an arme Menschen übergeben worden.
Produkte … und Menschen
Das entspricht dem grundsätzlichen Ansatz der Tafeln: „Genusstaugliche“ Lebensmittel und Hygieneartikel aus Betrieben werden gesammelt und an bedürftige Menschen weitergegeben. Die Betriebe selbst wollen diese Produkte – meist aufgrund des Alters – nicht mehr verkaufen.
Für Betroffene bedeuten Tafeln oft unmittelbar wichtige Hilfe, auch viele ehrenamtliche HelferInnen wollen mit ihrem Engagement zu einer besseren Welt beitragen. Gleichzeitig gibt es seit der Entstehung der Tafeln immer wieder berechtigte Kritik.
Zum einen werden ältere Lebensmittel und Produkte exklusiv an arme Menschen verteilt, was klarerweise auch eine Form von Demütigung darstellen kann. Auch die Debatte, wie insgesamt Produktion und Verteilung von Lebensmitteln organisiert wird, bleibt dabei außen vor.
Denn die heutige Form der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln bedeutet, dass bis kurz vor Ladenschluss möglichst alles vorhanden sein soll. Gemeinsam mit den kurzen Mindesthaltbarkeitsdaten produziert das enorme Mengen von angeblichem Ausschuss.
Würdiges Leben statt Almosen
Grundsätzlich ist es sinnvoll, hier gegenzusteuern. Doch wenn der Verband der österreichischen Tafeln seine Presseaussendung unter das Motto „Die Tafeln retten 2.400.000 kg Lebensmittel“ stellt und dann im Zusammenhang mit der Verteilung dieser Produkte an arme Menschen ausführlich über Müllvermeidung schreibt, zeigt das das Problem.
Arme Menschen werden als Empfänger von Almosen beschrieben, die eben das bekommen, was sonst in den Müll wandern würde. Nochmals: im konkreten Einzelfall ist das zweifellos eine wichtige Hilfeleistung. Doch grundlegend gilt es, auch über den Tellerrand zu blicken und über ein würdiges Leben für alle zu sprechen. Die Verteilung von Almosen ist ein Übel, das in unserem System manchmal notwendig ist. Aber es kann nie ein wünschenswerter Zustand sein.
Hunger kennt keinen Reisepass
Wozu der Ansatz von Almosen bei den Tafeln führen kann, zeigt exemplarisch ein Beispiel aus dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die Tafel in Essen beschloss im Februar 2018, nur noch deutsche StaatsbürgerInnen neu ins Programm aufzunehmen. Als privater Verein, der selbst entscheidet, wer etwas bekommt, konnte die Tafel in Essen diesen im Kern rassistischen Ansatz umsetzen.
Doch arme Menschen sind keine Müllschlucker und Hunger kennt keinen Reisepass. Arme Menschen sind Produkt der kapitalistischen Produktionsweise. Das bedeutet nicht, dass nicht unmittelbar geholfen werden muss. Aber es bedeutet, das Kernproblem nicht zu vergessen und in der Sprache sensibel zu bleiben.
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