SPÖ: So stirbt eine Partei

Christian Kern wollte eine neo-liberale Allianz bei den EU-Wahlen formen. Nach dem Scheitern zieht er sich als Spitzenkandidat zurück. Hätte sein Projekt Erfolg bringen können? 

Kurz vor dem Putsch der Austrofaschisten im Februar 1934 schrieb Jura Soyfer sein Romanfragment „So starb eine Partei“. Er erzählte darin über den Niedergang der österreichischen Sozialdemokratie. Es war ein Untergang auf Raten, bedingt durch eine permanente Hoffnung auf Kompromisse mit den Faschisten – und die gleichzeitige Niederhaltung der in großen Teilen kampfbereiten Basis der Partei.

Rechter als die Rechten?

Eine tatsächlich kampfbereite Basis gibt es heute in der Sozialdemokratie nur noch in Ansätzen. Aber die Versuche, durch eigene rechte Politik den Parteien der Rechten den Boden zu entziehen, sind auch heute immer wieder zu bemerken – als Stichworte können die Koalitionen der Sozialdemokratie mit der FPÖ im Burgenland und Linz gelten, die neue Verbotspolitik in Wien, aber natürlich vor allem die gesamte Asylpolitik der SPÖ.

Allerdings zeigt sich seit dem Aufstieg der FPÖ ab dem Jahr 1986, dass diese Politik zum Scheitern verurteilt ist. Rechte Parteien werden immer authentischer rechts sein als die Sozialdemokratie. Christian Kern wollte als Antwort auf den Aufstieg der extrem rechten Parteien nun eine Allianz aus Sozialdemokratie, Neo-Liberalen und Grünen formen, wie er bei seiner Abschiedspressekonferenz erklärte. Was ist davon zu halten?

Neoliberale Allianz

Den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bezeichnete Kern bei dieser Pressekonferenz als „Vorreiter“ und plante offenbar eine Allianz mit dessen neuer Partei. Doch wie ist Macrons Partei „En Marche“ entstanden und wofür steht sie? Der jetzige Präsident Macron kam erstmals auf einem Ticket der Sozialdemokratischen Partei Frankreichs in die Regierung, deren Mitglied er auch war. In weiterer Folge spaltete Macron die Sozialdemokratie.

Es entstand die neue Partei „En Marche“, im Wesentlichen gebildet aus dem rechten Flügel der Sozialdemokratie sowie der neoliberalen Zentrumspartei MoDem. Die MoDem ist in Österreich vermutlich am ehesten mit den NEOS vergleichbar.

Sieg Macrons, Spaltung der Sozialdemokratie und soziale Bewegungen

Eine Allianz mit einer solchen Partei bedeutet natürlich auch bestimmte inhaltliche Positionen. Macron gilt in Frankreich inzwischen immer mehr als abgehobener Repräsentant der neoliberalen Eliten. Erst vor wenigen Tagen geriet der Präsident neuerlich in die Kritik, als er zu einer Gruppe von Seniorinnen sagte, sie dürften sich über Pensionskürzungen nicht beschweren. Jeder im Land müsse „sich anstrengen“. Eine Analyse zu Macron habe ich hier geschrieben.

Kurzfristig würde eine Allianz von Sozialdemokraten und Grünen mit diesen neoliberalen Kräften möglicherweise sogar erfolgreich sein. Doch was bedeutet das langfristig?

Selbstfesselung

Sozialdemokratie und Grünen könnten keinerlei sozialpolitische Forderungen mehr erheben, würden doch damit die unternehmerfreundlichen Parteien abgeschreckt und aus der Allianz vertrieben. Als angebliche Anti-System Parteien stünden dann die Parteien der extremen Rechten parat, die davon massiv profitieren würden.

In verschiedenen Ländern gibt es auch linke Parteien, die in dieses Vakuum vordringen könnten. Das gilt nicht zuletzt für Frankreich, wo linke Abspaltungen der Sozialdemokratie, die Kommunistische Partei sowie die trotzkistischen Parteien traditionell stark verankert sind. In Österreich aber ist aktuell weit und breit keine erfolgreiche linke Partei in Sicht.

Damit würden auf Sicht vor allem FPÖ und ÖVP von einer Allianz aus SPÖ, Grünen und NEOS profitieren. Sozialpolitische Forderungen wären in einer solchen Allianz wohl kaum zu hören, entsprechend würde auch der Sozialabbau von ÖVP und FPÖ weniger ins Gewicht fallen. Es ist das alte Problem solcher sogenannten „Volksfronten“, also Allianzen von Parteien der ArbeiterInnenbewegung mit bürgerlichen Parteien.

Fraktionsspiele

Kern dürfte für sein Projekt aktuell keine Mehrheit in der Partei gefunden haben und zieht sich nun zurück. Bei seiner Pressekonferenz gab er gleichzeitig auch interessante Einblicke in die demokratiepolitische Funktionsweise der SPÖ. Es sei ein „Kraftakt“ gewesen, die neue Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner zu installieren. „Für mich war entscheidend, die Nachfrage richtig und gut zu regeln“, so Kern. Die Frage, ob es nicht Aufgabe einer Partei wäre, ihren Vorsitz in einer demokratischen Wahl zu bestimmen, ließ er offen.

Mehrmals erwähnte er sogar, wie kurz Rendi-Wagner erst Mitglied der Partei wäre. Dass das eventuell ein Problem werden könnte und tatsächlich niemand weiß, wofür die neue Vorsitzende inhaltlich überhaupt steht, blieb ebenfalls unerwähnt. (Hier habe ich ein kurzes Porträt der neuen Vorsitzenden geschrieben.)

Zurück zu den Wurzeln

Kern selbst möchte nun in „Wirtschaft- und Unternehmertum“ zurück, wie er erklärte. Er sei immerhin erfolgreicher Unternehmer gewesen, nun möchte er „eine eigene Karriere als Unternehmer beginnen“. Das passt natürlich sehr gut zu Allianzen mit neoliberalen Parteien.

Doch für die Sozialdemokratie sind weder neoliberale Allianzen noch der Versuch, den Rechten nachzulaufen, eine realistische Option. Diese Plätze sind ausreichend besetzt. Links hingegen wäre mehr als genug Platz. Gefüllt wird der Platz auf der linken Seite werden. Die Sozialdemokratie kann sich daran orientieren – oder sie wird untergehen. Denn für eine weitere neoliberale und rassistische Partei ist auf lange Sicht schlicht kein Platz.

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