SS-Totenkopf am Wiener Derby

Bildzitat: Facebook

Neonazi-Skandal beim Wiener Derby: Im Sektor der Wiener Austria zeigen slowakische Neonazis offen einen SS-Totenkopf mit dem SS-Wahlspruch „Meine Ehre heißt Treue“.

„Meine Ehre heißt Treue“ steht auf Slowakisch auf dem Banner, das beim 335. großen Wiener Derby im Sektor der Wiener Austria hängt. Es ist der Wahlspruch der SS. Als Symbol darunter ein leicht verfremdeter SS-Totenkopf. Das SS-Symbol hat einen Bart und eine Sonnenbrille bekommen – doch die Übereinstimmung ist eindeutig.

Wer das Banner produziert hat, ist für Fußball-Kenner*innen leicht entschlüsselbar: Rechts und links vom SS-Totenkopf zu sehen sind das Wappen des Fußballvereins Slovan Bratislava sowie das Stadtwappen der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Das Banner stammt also von Fans der einschlägig rechten Szene von Slovan Bratislava.

Antifaschistische Austria-Fans zeigen Haltung

Beim Auswärts-Derby im Allianz-Stadion von Rapid hängt dieser sogenannte „Fetzn“ – wie Banner im Fußball-Jargon genannt werden – von Slovan nicht irgendwo versteckt im Hintergrund. Sondern ganz vorne und gut sichtbar direkt neben dem zentralen Fetzn der Fangruppe „Viola Fanatics“ (VF).

Irgendwann im Lauf des Spiels wird der Fetzn dann umgehängt, dem Vernehmen nach aus praktischen Gründen. Dass die beiden Fetzn anfänglich direkt nebeneinander hängen, ist kein Zufall.

Der nächste Skandal

Denn die einschlägige Fanszene von Slovan Bratislava ist in Österreich mit den „Fanatics“ eng verbündet – einem weit rechten Fanclub der Wiener Austria, der derzeit in der Kurve den Führungsanspruch und auch den zentralen Vorsänger stellt. Ebenfalls eine offizielle Freundschaft unterhält Slovan Bratislava mit der Neonazi-Truppe Unsterblich (Ust), einem weiteren Fan-Zusammenschluss im rechten Flügel der Austria-Szene.

Turnier von extrem rechten und rechtsoffenen Fanclubs im September 2021

Erst Anfang März gab es zuletzt einen Rassismus-Skandal bei einem Spiel der Wiener Austria. Mitglieder von Unsterblich attackierten am 6. März nach Schlusspfiff einen Spieler der Admira rassistisch – mehrere Beteiligte hatten auf ihren Jacken einen großen SS-Totenkopf.

Beim darauffolgenden Heimspiel distanzierten sich die Fanatics zwar offiziell per Durchsage durch die Lautsprecheranlage der Fankurve von den Vorkommnissen in der Südstadt. Der SS-Totenkopf beim Derby hat nun allerdings klar gezeigt, was diese Distanzierungen faktisch wert sind. Und gleichzeitig haben die VF damit auch der Austria und ihren Fans eine ebenso einschlägige wie eindeutige Botschaft geschickt.

Tief im Neonazi-Sumpf

Die engen Verbindungen zwischen Fanatics, Unsterblich und Slovan gibt es bereits seit mehreren Jahren. Abordnungen beim Spiel des jeweils anderen Vereins etwa sind eher Regel als Ausnahme. Ebenfalls immer mit dabei: Einschlägig bekannte Neonazis. So zeigen etwa mir vorliegende Fotos vom Spiel von Slovan Bratislava gegen Kopenhagen im September 2021 eine gemischte Abordnung von Fanatics und Unsterblich im Stadion von Slovan.

Am Vorsängerpult hängt die Reichskriegsfahne von Unsterblich. Direkt daneben stehen im Sektor – hinterr dem Fetzn der Fanatics und unter den Fanatics – bekannte Kader aus den Alpen-Donau-Strukturen rund um Neonazi Gottfried Küssel. Es sind Personen, die immer einschlägig auffällig werden und teils auch an deutschen NS-Festivals teilnehmen.

Unter ihnen eine Figur, die auch der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde: Burschenschafter Thomas K.-C., der 2018 seinen Job als Security im österreichischen Parlament verlor, nachdem seine Identität aufflog. Und der Kreis schließt sich: Teils handelt es sich um die gleichen Personen, die zuletzt in der Südstadt auffällig wurden.

Ausgerechnet die Austria!

Dass sich diese einschlägigen Figuren ausgerechnet die Wiener Austria ausgesucht haben, mutet absurd an. Die Austria ist ein Verein mit einer jüdischen Tradition: Der legendäre Klubsekretär Norbert Lopper wurde von den Nazis als Jude im Konzentrationslager Auschwitz gequält und fast ermordet. Seine Frau Rebecca, sein Vater, seine jüngere Schwester Klara, seine Schwägerin und seine Schwiegereltern wurden in Auschwitz ermordet.

Ebenfalls von den Nazis ermordet wurde der langjährige violette Klubmanager Robert Lang. Die Nazis töteten ihn im November 1941 in Jugoslawien, wohin er geflüchtet war. Gerade noch mit dem Leben davon kam eine weitere Austria-Ikone: Emanuel „Michl“ Schwarz war bis 1938 Präsident des Vereins. Er überlebte den Faschismus in Frankreich im Untergrund.

Die Austria unterm Hakenkreuz: Opfer, Täter und Mitläufer

Doch inzwischen gibt es auch in der Fanszene auffallende Entwicklungen: In Fanforen wird die Kritik an Fanatics, Unsterblich und Co zunehmend unüberhörbar  – und es gibt immer weniger, die die beiden Gruppen öffentlich noch verteidigen wollen. Viele Fans wünschen sich eine Ablösung der FV durch die KAI (Kampfastllln Inzersdorf), neben den Fanatics die zweite große Últra-Gruppe in der Kurve.

Politisch sind die KAI nicht eindeutig einzuordnen, es gibt Signale in verschiedene Richtungen. Zuletzt etwa hat die Gruppe eine eigene „Violette Nothilfe“ für flüchtende Menschen aus der Ukraine gestartet. Bedankt hat sie sich danach für die Zusammenarbeit bei den Fanatics, aber auch bei den „Omas gegen Rechts“ und der bekannt fortschrittlichen NGO „SOS Balkanroute“.

Die Polizei weiß Bescheid

Auf meine Anfrage zum SS-Totenkopf am Derby sagt Christopher Verhnjak, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Wien, dass der Sachverhalt bekannt sei. „Es wurde ein Anfangsverdacht zur rechtlichen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt“, so der Polizeisprecher. Anders – und zweifelhaft – hatte vor zwei Wochen die Landespolizeidirektion Niederösterreich auf meine Anfrage nach dem Admira-Spiel reagiert.

Austria würdigt Opfer des Holocaust

Der Sachverhalt würde „von den Staatschutzbehörden geprüft“, so der niederösterreichische Polizeisprecher Raimund Schwaigerlehner. Und: „Sobald ein Anfangsverdacht vorliegt, wird dies der Staatsanwaltschaft angezeigt“. Doch der Anfangsverdacht ist bei SS-Totenköpfen offensichtlich gegeben.

Warum die niederösterreichische Polizei hier nicht sofort anzeigt? Das bleibt unklar. Ebenso unklar bleibt damit die Rolle der sogenannten „Szenekundigen Beamten“ (SKB), die für einzelne Vereine zuständig sind und jedes Spiel begleiten. Denn diese SKB müssten hier eigentlich einschreiten.

„Wir verurteilen jegliche rechtsradikale Äußerung“

Die Austria hatte bereits als Reaktion auf die Vorkommnisse in der Südstadt klare Worte gefunden: „Wir verurteilen diese Vorfälle auf das Schärfste und distanzieren uns klar davon“, so Austria-Präsidium und Vorstand in einer Stellungnahme. Das Vereinslogo wurde in sozialen Medien über mehrere Tage mit einem Regenbogen hinterlegt, beim Derby trug Kapitän Markus Suttner als weiteres Signal eine Kapitänsschleife in Regenbogen-Farben.

Auch jetzt sagt Austria-Sprecher Philipp Marx auf meine Anfrage zum neuen Skandal beim Derby: „Wir verurteilen jegliche rechtsradikale Äußerung und distanzieren uns klar davon.“ Die Austria würde sich klar „zu den Werten Weltoffenheit und Toleranz“ bekennen. „Wir erwarten, dass diese Werte für jedes Veilchen eine Selbstverständlichkeit sind“, so der Sprecher der Violetten.

Distanzierungen werden nicht reichen

Doch gleichzeitig macht es sich der Verein auch zu einfach. „Das sind keine Austria-Fans“, hieß es etwa in der Stellungnahme nach dem Spiel in der Südstadt. Das wird so wohl nicht korrekt sein. Austria-Sprecher Marx sagt, der Verein wolle nun „im Dialog eine Lösung“ suchen – doch wurde dieser Weg nicht schon mehr als zehn Jahre erfolglos versucht?

Wie brauchbar sind die Austria- und Rapid-Statements zu Rechtsextremismus?

Die Austria verweist in der Öffentlichkeit ebenfalls immer wieder darauf, dass die Unsterblich-Truppe bereits 2013 offiziell ausgeschlossen worden wäre. Auch in der Stellungnahme nach den Ereignissen in der Südstadt hieß es seitens des Vereins: „Der betreffenden Gruppierung wurde bereits vor Jahren der Fanclub-Status aberkannt“.

Das Problem geht tiefer

Das ist zwar faktisch korrekt. Doch das zentrale Problem der Austria sind schon lange nicht mehr Unsterblich, sondern die Fanatics samt ihrer „Sektionen“, Inferno Wien und Junge Legion. Dazu deren Freundschaften mit Slovan und der ebenfalls einschlägigen Kurve des tschechischen FC Brno. Die Brno-Truppe konnte im September 2019 sogar bei einem Heimspiel der Austria einen großen SS-Totenkopf mitten auf der Fan-Tribüne anbringen.

[Du kannst das folgende Banner wegklicken und danach weiterlesen. Du kannst über das Banner auch sehr gern künftige Recherchen mit Meinung und Haltung unterstützen.]

Dann sind da Fanclubs mit rechter Geschichte, etwa Atzgersdorf oder Bulldogs. Bei Fanturnieren zeigen sich diese Fanclubs direkt neben der Reichskriegsfahne von Unsterblich. Schließlich gibt es einschlägige Fans und Fangruppen, die nicht direkt mit einem Fanclub assoziiert sind. All diese Gruppen sind – gemeinsam mit Unsterblich – Teil eines gemeinsamen Milieus.

„Wir sind Austria Wien. Faschos gehts in Oasch“ Bild: Michael Bonvalot

Teils läuft diese Zusammenarbeit ganz offen – etwa bei Auswärtsspielen, Fanturnieren oder in der Freundschaft mit Slovan und Brno. Teils verdeckt, etwa durch Codes. Dann stehen die Ust-Leute zwar außerhalb des Fansektors, im Sektor hängen dann aber Banner für den verstorbenen Ust-Kader Uwe B. („Onkel Uwe“) oder Freundschaftsbanner der Neonazitruppe „Ultras Sur“ von Real Madrid.

Und auch der SS-Totenkopf beim Derby hat wieder einmal eindeutig gezeigt, wie tief das Problem geht. Regenbogen-Farben und öffentliche Distanzierungen sind wichtige symbolische Schritte. Doch wenn diese Schritte ernst genommen werden sollen, muss die Austria auch in der Kurve handeln. Das ist der Verein sich selbst, seiner Geschichte und seinen zahlreichen antifaschistischen Fans schuldig.

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