Teilzeit-Krankenstand im Abgleich für Betriebsrats-Privilegien?

Künftig können auch kranke Menschen teilweise arbeiten gehen. Das könnte den Druck auf Beschäftigte enorm erhöhen. Interessanterweise beschloss das Parlament gleichzeitig die Entdemokratisierung von Betriebsräten.

Wie das Leben so spielt! In der Parlamentssitzung vom 15.12. wurden gleich zwei Anträge besprochen, die für ArbeitnehmerInnen künftig sehr relevant sein könnten.

Einerseits kommt künftig ein so genannter Teilzeit-Krankenstand. Derzeit ist es so, dass Menschen entweder krank oder gesund sind. Wenn sie krank sind, dann können sie auch nicht arbeiten gehen. Das ist einfach, logisch und nachvollziehbar.

Sechs Monate Teilzeit trotz Krankheit

Nun kommt mit dem Teilzeit-Krankenstand ein neues Instrument. Menschen können nach einer schweren physischen oder psychischen Erkrankung künftig für maximal sechs Monate Teilzeit arbeiten. (Hier finden sich alle Informationen).

Wenn erkrankte Menschen das wollen, ist das sicherlich eine interessante Lösung, etwa wenn jemandem zu Hause bereits die Decke auf den Kopf fällt. Realistisch aber wird das in sehr vielen Fällen dazu führen, dass es einen enorm erhöhten Druck auf längerfristig erkrankte Menschen gibt, doch zumindest teilweise zurück in den Job zu kommen.

Diese Regelung wird absehbar zu einer Verschlechterung für sehr viele kranke Menschen führen. Die Problematik des Teilzeit-Krankenstand habe ich vor einiger Zeit für den Mosaik Blog ausführlich behandelt, nachzulesen hier.

Gleichzeitig wurde im Parlament aber noch ein anderer Antrag eingebracht. Dabei handelt es sich um eine Verlängerung der Betriebsrats-Periode von vier auf fünf Jahre. Aktuell muss eine Betriebsratskörperschaft nach längstens vier Jahren neu gewählt werden, künftig gibt es noch ein Jahr länger keine Wahl. Wohlgemerkt: jede Betriebsratskörperschaft hätte die Möglichkeit, auch öfter Wahlen auszurufen – leider passiert das nur in sehr wenigen Fällen.

Weniger wählen als Reaktion auf schnellere Jobwechsel

Die Begründung für den Antrag, der die Zustimmung von Sozialdemokratie, Volkspartei, FPÖ und Team Stronach fand (und hier nachzulesen ist) klingt in Anbetracht der tatsächliche Veränderungen der Arbeitswelt abenteuerlich: „Die Bedingungen der Arbeitswelt und die Anforderungen  an  die  Belegschaftsvertretung  haben  sich  jedoch  seit  der Einführung  dieser  Bestimmung  vor 30 Jahren grundlegend verändert. Dies erfordert eine Stärkung der Kontinuität der Gremien.“

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Doch was ist tatsächlich in den letzten 30 Jahren passiert? Immer mehr Menschen wechseln immer öfter ihren Job. Ich selbst habe teilweise mehrere Jahre in Betrieben gearbeitet, ohne jemals die Möglichkeit zu haben, meine Betriebsratskörperschaft zu wählen.

Wer arbeitet noch fünf Jahre im gleichen Betrieb?

Es gibt Bereiche, etwa den Handel, wo nur sehr wenige Beschäftigte überhaupt fünf Jahre im Betrieb sind. Die logische Antwort auf diese Veränderung der Arbeitswelt wäre also eine Verkürzung der Wahlperiode, aber keineswegs eine Verlängerung.

Diese gesetzliche Veränderung ist es eine Stärkung der Betriebsratskörperschaften gegenüber der Basis in den Betrieben. Und insbesondere in sehr großen Betrieben bedeutet das auch eine Verlängerung von Privilegien, etwa bessere Bezahlung, Freistellungen, Dienstwagen, … bis hin direkter Bestechung, wie sie etwa im sogenannten VW-Skandal bekannt wurde.

Das bedeutet nun selbst verständlich keineswegs, dass alle Betriebsräte und Betriebsrätinnen Privilegien haben. Im Gegenteil, in sehr vielen Fällen handelt sich dabei um engagierte VertreterInnen ihrer Belegschaften, die sehr viel Arbeit und (Frei)zeit dafür aufwenden, ihre KollegInnen zu vertreten.

Wer die Basis vertritt, muss sie nicht fürchten

Doch diese BetriebsrätInnen werden auch kein Problem damit haben, sich regelmäßig einer Wiederwahl zu stellen und die mit vier Jahren ohnehin viel zu lange Wahlperiode freiwillig zu verkürzen.

Wer hingegen die Basis fürchtet, der hat auch ein Interesse, möglichst selten wählen zu lassen. Das gleiche Phänomen haben wir in größerem Stil auch bei Nationalratswahlen gesehen. Bis 2007 betrug eine Legislaturperiode vier Jahre, seitdem sind es fünf Jahre – im Laufe eines Lebens kommen da einige Wahlen weniger zusammen.

Nun mag es selbstverständlich kompletter Zufall sein, dass die Möglichkeit zur Ausweitung des Machterhalts für bürokratische Eliten in den Betrieben am gleichen Tag ins Parlament kam wie der Teilzeit-Krankenstand, der den Druck für die Beschäftigten erhöht. Die Optik allerdings, die bleibt mies.

Zum Weiterlesen: Teilzeit-Krankenstand: wer krank ist, gehört ins Bett, nicht in die Arbeit!

 

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