Warum die FPÖ eine Partei für die Reichen ist

Foto von Heinz-Christian Strache: Flickr | Gregor Tatschl | CC 2.0 https://www.flickr.com/photos/bildredaktion/ https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

[Vice] Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöhen, höhere Steuern und Kürzungen bei den Spitälern. Das alles sind Forderungen aus der FPÖ.

[Erstveröffentlichung: Vice] „Das Problem ist nur, dass die FPÖ immer als soziale Heimatpartei wahrgenommen wird. Unsere wirtschaftlichen Ideen gehen so in der Öffentlichkeit unter.“ Diese Klage stammt nicht von irgendjemandem. Es ist der Nationalratsabgeordnete Bernhard Themessl, langjähriger Wirtschaftssprecher der Partei, der hier den Vorarlberger Nachrichten von seinen Sorgen berichtet.

Im Anschluss folgt Klartext in diesem Interview im August 2016. Themessl sieht die FPÖ als wirtschaftsliberale Partei und bringt einen Forderungskatalog, der es in sich hat. Unter anderem enthalten sind:

  • Weg von Kollektivverträgen, die in Österreich unter anderem die Mindestlöhne, das Urlaubsgeld und die Arbeitszeiten regeln.
  • Keine Finanzierung von SchülerInnenfreifahrten durch den Familienlastenausgleichsfonds.
  • Senkung der Lohnnebenkosten für Betriebe.

Die Interviewerin weist Themessl darauf hin, dass weniger Lohnnebenkosten auch weniger Budget bedeuten. Es folgt die Frage: „Sollte in der Folge auf gewisse Leistungen verzichtet werden?“. Die Antwort von Themessl ist eindeutig: „Wir fordern seit Jahren mehr Eigenverantwortung. Österreich muss sich von der Vollkaskomentalität verabschieden.“

Könnte es sich hier vielleicht um einen Ausrutscher oder eine Einzelmeinung handeln? Denn die FPÖ ist doch die „Soziale Heimatspartei“, wie der zentrale Slogan der Partei lautet. Auch auf den Plakaten für den gerade anlaufenden Nationalratswahlkampf ist die Parole wieder prominent zu finden.

Doch eine Vielzahl von programmatischen Texten, Resolutionen und Aussagen von FPÖ-SpitzenpolitikerInnen, beginnend mit Parteichef Heinz-Christian Strache, zeigt: Der ehemalige FPÖ-Wirtschaftssprecher Themessl hat nur wiedergegeben, was aus der FPÖ immer wieder gefordert wird.

Aktuell bereitet sich die FPÖ intensiv auf die Wahlen im Oktober 2017 vor. Im Juni soll dazu ein eigenes Wirtschaftsprogramm präsentiert werden. Eigentlich war das Papier schon für März oder April angekündigt, offensichtlich gab es parteiinterne Verzögerungen. Mit den anstehenden Wahlen soll das Programm nun allerdings doch noch publiziert werden.

Das Magazin Trend konnte Mitte Mai einen ersten Blick in die Entwürfe zum neuen Wirtschaftsprogramm der Partei werfen. Auf über 150 Seiten wird detailliert beschrieben, was die FPÖ in der Regierung umsetzen möchte.

Und die Forderungen, die präsentiert werden, sind vor allem eindeutige Signale Richtung ÖVP und Industrie für die Zeit nach der Wahl. Offenbar soll klargemacht werden, dass mit der FPÖ ein verlässlicher Partner für Sozialabbau und Einsparungen zur Verfügung steht.

Der Trend nennt auch die Eckpunkte des Programms. Wir zählen sie hier mal auf, keine Sorge, danach erklären wir sie auch.

  • Senkung der Abgabenquote auf maximal 40 Prozent
  • Senkung der Staatsverschuldung, Nulldefizit als Budgetziel
  • Steuerliche Entlastung der Bevölkerung um acht Milliarden Euro
  • Halbierung des staatlichen Verwaltungsaufwands
  • Abschaffung von Steuern für Unternehmen, etwa der Mindest-Körperschaftssteuer
  • Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei Kammern
  • Steuerwettbewerb zwischen verschiedenen Bundesländern
  • Einschränkung der Gruppenbesteuerung
  • Einschränkungen für MigrantInnen am Arbeitsmarkt
  • Finanzspritzen für Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden
  • Keine Erbschafts-, Schenkungs-, Vermögens-oder Maschinensteuer

Das Problem: Kaum jemand kann sich unter den meisten dieser Forderungen etwas vorstellen. Sehen wir uns also konkret an, was das alles bedeutet.

Die sogenannte Abgabenquote zeigt den Anteil von Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung eines Landes. Österreich hat aktuell eine Abgabenquote von 43,5 Prozent. Eine Senkung der Abgabenquote bedeutet weniger Sozialabgaben, das sind beispielsweise Beiträge zur Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung. Und das ist eine ziemlich schlechte Nachricht.

Denn wenn weniger Geld da ist, kann auch weniger Geld für PensionistInnen oder kranke Menschen ausgegeben werden. Dazu kommen noch Steuersenkungen. Klingt erstmal gut. Doch wir werden im Folgenden sehen, dass die FPÖ dabei vor allem weniger Steuern für Unternehmen im Sinn hat. Auch die „Senkung der Staatsverschuldung“ und das „Nulldefizit“ gehen in die gleiche Richtung.

Die FPÖ geht laut Trend sogar selbst davon aus, dass ihr Modell fehlende Steuereinnahmen von rund 14 Milliarden Euro bedeutet (in einem ersten Schritt sollen es 8 Milliarden sein). Das Problem: Wenn 14 Milliarden Euro weniger aus Steuereinnahmen zur Verfügung stehen, können auch 14 Milliarden Euro weniger für Bildung, Pensionen, Sozialausgaben, Infrastruktur, und und und ausgegeben werden.

Die reichsten Teile der Gesellschaft betreffen solche Einsparungen nur wenig, sie können das privat ausgleichen. Doch alle anderen würden darunter leiden. Das sieht auch Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister so: „Am Ende zahlen jene drauf, die auf Leistungen des Staates angewiesen sind“, erklärt er im Standard.

Gleichzeitig sollen die besonders Wohlhabenden noch extra belohnt werden, Unternehmenssteuern etwa sollen teilweise abgeschafft werden. Die einzige Verschlechterung für manche besonders großen Unternehmen: Internationale Konzerne können aktuell durch die sogenannte Gruppenbesteuerung deutlich Steuern sparen. Das möchte die FPÖ einschränken. Das ist allerdings nur folgerichtig.

Gleichzeitig sollen die besonders Wohlhabenden noch extra belohnt werden, Unternehmenssteuern etwa sollen teilweise abgeschafft werden.

Denn die FPÖ versteht sich laut zahlreichen Aussagen als Vertreterin der „Klein- und Mittelunternehmen“. Und diese sehen es durchaus gern, wenn ihre größeren Konkurrenzbetriebe etwas höhere Steuern zahlen müssen. Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um die Friseurin ums Eck.

Einer der Autoren des aktuellen Wirtschaftsprogramms, FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs, beklagte etwa 2013 gegenüber der Rechtsaußen-Plattform unzensuriert.at, dass von der aktuellen Form der Gruppenbesteuerung regionale Banken (konkret Sparkassen) „relativ wenig profitieren“ würden.

Und die Banken und die besonders Reichen müssen sich insgesamt wenig Sorgen bei der FPÖ machen. Im Parlament stimmte die FPÖ 2014 gegen die Erhöhung der Bankenabgabe, FPÖ-Generalsekretär Kickl bezeichnete die Abgabe für die Banken schon mal als „Rohrkrepierer“. Immer wieder positionieren sich die Freiheitlichen auch gegen eine verstärkte Regulierung von Banken.

Mit den sogenannten „Basel 3“-Richtlinien soll die Eigenkapitalbasis der Banken gestärkt werden. Das bedeutet: Auch, wenn es eine Krise gibt, soll noch genug Geld da sein, um zumindest einen Teil der Sparguthaben ausbezahlen zu können. Für die „Freiheitliche Wirtschaft“, also den Wirtschaftsflügel der Partei, ist das „regulatorischer Wahnsinn“.

Und auch die Gründer von Privatstiftungen können aufatmen. In der Vergangenheit hatte die FPÖ noch Einschränkungen den Steuerprivilegien für Stiftungen gefordert. Laut Trend wurde das nun aus dem Entwurf gestrichen.

Doch wo soll nun gespart werden? Laut FPÖ erhalten vor allem die Spitäler und die ÖBB aktuell noch zu viel Geld. Dort solle der Sparstift angesetzt werden. Diese Position deckt sich auch mit entsprechenden Aussagen im „Handbuch freiheitlicher Politik“, dem sehr ausführlichen „Leitfaden für Führungsfunktionäre und Mandatsträger der FPÖ“.

Doch wo soll nun gespart werden? Laut FPÖ erhalten vor allem die Spitäler und die ÖBB aktuell noch zu viel Geld.

In diesem Handbuch fordert die FPÖ drastische Einsparungen bei Krankenhäusern und Eisenbahnen: „In Österreich werden jährlich über 18 Milliarden Euro an Förderungen ausbezahlt. Hiervon entfallen beinahe 6 Milliarden auf den Spitalsbereich und 4 Milliarden auf das Verkehrswesen, wo den Löwenanteil die ÖBB erhält.“

Schlussfolgerung der FPÖ: Es könnten „sehr rasch Einsparungen in der Höhe von rund 800 Millionen Euro erzielt werden.“ Federführend bei der Abfassung des Handbuchs war übrigens der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer.

Insgesamt soll der staatliche Verwaltungsaufwand sogar halbiert werden. Das bedeutet, dass ein Computer auch weiterhin einen gewissen Beitrag kosten wird, ebenso ein Skalpell oder eine Heftmaschine. Relevante Einsparungen sind also nur möglich, wenn entweder Leistungen gekürzt werden oder/und beim Personal gespart wird – etwa durch Nulllohn-Runden (also Einkommensverluste), Entlassungen oder Einstellungsstopps.

Bei solchen Belastungswellen wäre es natürlich gut, wenn möglichst viele Menschen eine kostenlose Rechtsvertretung hätten. Doch auch hier sorgt die FPÖ vor. Mit der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer wären sowohl der Rechtsschutz bei arbeitsrechtlichen Problemen wie auch der KonsumentInnenschutz deutlich geschwächt.

Verschiedene Bundesländer sollen laut FPÖ zukünftig in einem Steuerwettbewerb gegeneinander antreten. Die einzelnen Bundesländer würden sich dann in einem Konkurrenzkampf um neue Betriebsansiedlungen befinden.

Um gegeneinander konkurrenzfähig zu bleiben, müssten die Bundesländer ihre Unternehmenssteuern in einer Spirale immer weiter nach unten drücken. Somit stünde den Bundesländern immer weniger Geld zur Verfügung, etwa für den öffentlichen Verkehr, die Mindestsicherung oder die Schulbudgets.

Für MigrantInnen hat sich die FPÖ etwas Besonderes ausgedacht.

Für MigrantInnen hat sich die FPÖ etwas Besonderes ausgedacht. Sie sollen künftig nur dann arbeiten dürfen, wenn gerade ein Mangel an Beschäftigten besteht, danach werden sie wieder in die Arbeitslosigkeit gedrängt. Arbeitslosengeld sollen sie allerdings keines bekommen.

Diese Forderung wird bereits im „Handbuch freiheitlicher Politik“ aufgestellt. In einem Interview mit dem Standard im April 2016 bekräftigt Norbert Hofer dann nochmals, dass es für MigrantInnen kein Arbeitslosengeld geben soll.

Praktischer Nebeneffekt für Unternehmen: „Die Betriebe würden sich so den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für ihre migrantischen Beschäftigten in Höhe von 3 Prozent des Bruttolohns ersparen“, wie mir ein Steuerberater erklärt. Diese Menschen könnten somit billiger angestellt werden als österreichische StaatsbürgerInnen.

Rund 15 Prozent der Bevölkerung in Österreich sind MigrantInnen. Sie alle würden so zwangsweise zu LohndrückerInnen gemacht. Eine weitere Spaltung der Gesellschaft wäre eine wahrscheinliche Folge. Die betroffenen Menschen bekämen gleichzeitig enorme soziale Probleme. Trotz vorheriger Arbeit hätten sie keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung im Fall der Arbeitslosigkeit.

Sympathisch hingegen klingt die Forderung nach Aufwertung der Lehre. Im Kern ist auch hier eine Unternehmenssubvention versteckt. Denn mit dem sogenannten „Blum-Bonus neu“ soll jede Lehrstelle für Unternehmen mit bis zu 6000 Euro gefördert werden.

Offen hingegen ist laut Trend noch, wie die Forderungen der FPÖ für die Pensionen formuliert werden sollen. Das Problem der Blauen: Eigentlich wären sie für eine Anhebung des Pensionsalters. Doch während des Wahlkampfs soll das besser nicht zu laut gesagt werden.

Das Problem der Blauen: Eigentlich wären sie für eine Anhebung des Pensionsalters. Doch während des Wahlkampfs soll das besser nicht zu laut gesagt werden.

In der Vergangenheit war Parteichef Strache da schon eindeutiger. Im Oktober 2014 erklärte er etwa, dass Einsparungen von insgesamt 8 Milliarden „locker“ finanziert werden könnten, und zwar durch „Maßnahmen“ unter anderem bei den Pensionen oder im Gesundheitssystem.

Auch FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger, ein weiterer Autor des neuen Wirtschaftsprogramms, war in dieser Frage in der Vergangenheit durchaus offenherzig. In einem vierteiligen Gastkommentar für die Plattform unzensuriert.at im Oktober 2015 erläuterte er seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen.

Unter anderem fordert Kassegger eine „Anpassung unseres Pensionssystems an die faktischen Gegebenheiten und Erfordernisse (Pensionsantrittsalter, Lebenserwartung)“. Im Klartext also einen späteren Pensionsantritt.

Ebenfalls gespart werden soll bei der Mindestsicherung, also bei der untersten Absicherung für die Ärmsten der Gesellschaft. Hier soll das oberösterreichische Modell bundesweit übernommen werden, wie Heinz-Christian Strache am 23. Mai gegenüber dem Kurier erklärte.

Wie dieses Modell, das voraussichtlich im Juni beschlossen werden soll, genau aussieht, ist aktuell noch nicht bekannt. Doch die OÖN berichten unter anderem von teils dramatischen Kürzungen für größere Familien.

Ganz klar hingegen ist die Absage der FPÖ an Vermögens-, Erbschafts- und Maschinensteuer. Eine Absage also an Steuern für besonders Wohlhabende und für Betriebe. Hier soll auf keinen Fall zusätzliches Geld eingenommen werden. Das trifft sich auch mit früheren Aussagen der Partei.

Im Oktober 2012 erklärte Parteichef Heinz-Christian Strache, dass Vermögenssteuern „ungerecht und asozial“ seien. Im September 2013 legte er noch eins drauf, Erbschaftssteuern und Steuern auf Grund und Boden seien gar „marxistisch“.

Im Oktober 2012 erklärte Parteichef Heinz-Christian Strache, dass Vermögenssteuern „ungerecht und asozial“ seien.

Andere Steuern hingegen könnten durchaus angehoben werden. So schlug Barbara Kappel, eine der vier Abgeordneten der FPÖ im EU-Parlament, 2011 gegenüber den Salzburger Nachrichten vor, doch einfach die Mehrwertsteuer um bis zu 2 Prozent zu erhöhen. Damit würden alle Waren und Dienstleistungen in Österreich teurer werden.

Barbara Kappel wurde in der Vergangenheit unter anderem als mögliche Wirtschaftsministerin im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ gehandelt. Im Juli 2015 gab es allerdings einen Karriereknick. Ihr Ehemann legte mit Schulden von 1,3 Millionen Euro eine veritable Firmenpleite hin.

Nicht ganz zu Unrecht schrieb der Kurier: „Eine Wirtschaftsexpertin, deren Mann einen Masseverwalter vorgesetzt bekommt, ist kein Aushängeschild.“ Gleichzeitig dürfte Ehemann Joachim Kappel eindeutige ideologische Hintergründe haben. Laut Kurier hielt er unter anderem Anteile an der rechtsextremen Wochenzeitschrift Zur Zeit, herausgegeben vom FPÖ-Ideologen Andreas Mölzer.

Als zentrale Autoren des neuen Wirtschaftsprogramms der FPÖ gelten Manfred Haimbuchner, Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich, sowie die beiden Nationalratsabgeordneten Axel Kassegger und Hubert Fuchs. Kassegger ist Wirtschaftssprecher der Partei, Unternehmer und stellvertretender Aufsichtsratspräsident der Graz Holding. Fuchs ist Finanzsprecher, Steuerrechtsexperte und Lehrbeauftragter, etwa an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder oder am FH Campus Wien.

Manfred Haimbuchner gilt als ausgesprochen wirtschaftsliberal und als Querverbinder der FPÖ zur Industriellenvereinigung (IV). In seinem Heimatland Oberösterreich sei die IV bereits Richtung FPÖ gekippt, so die Presse. Ideologisch ist Haimbuchner gleichzeitig ein eindeutiger Vertreter des klassischen Weltbilds der FPÖ.

Immer wieder fiel der oberösterreichische FPÖ-Chef durch höchst problematische Aussagen auf. Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich, erklärte im Februar 2017 gar: „Haimbuchner trägt Verantwortung für rassistische Hetzpropaganda und Menschenverachtung!“

Haimbuchner ist übrigens auch „Alter Herr“ der schlagenden Burschenschaft „Corps Alemannia Wien zu Linz“. Kein Widerspruch, sehen die rechtsextremen Burschenschaften sich doch genauso wie viele Industrielle als Elite der Gesellschaft.

Katalog der blauen Grausamkeiten

Im September 2015 bekam der bis dahin erfolgsverwöhnte Haimbuchner allerdings ein Problem. Denn in diesen Tagen wurde die Publikation „Mut zur Wahrheit“ bekannt, die er im Rahmen des wirtschaftsliberalen „Atterseekreises“ der FPÖ mitherausgegeben hatte.

Die Seite „Stoppt die Rechten“ (SdR) hat die Publikation analysiert und nennt sie mit einer gewissen Berechtigung einen „Katalog der blauen Grausamkeiten“. Gefordert wird etwa, dass der erste Tag jedes Krankenstands künftig als Urlaubstag gewertet werden soll. Die Mindestpension solle laut SdR von damals 870 Euro auf 560 Euro gesenkt werden. Die Ausgleichszulage für die niedrigsten Pensionen soll es erst ab 70 Jahren geben. Und schließlich soll die Familienbeihilfe für zehn Jahre eingefroren werden.

Die Debatten, die der Veröffentlichung mitten im Landtagswahlkampf folgten, waren für Manfred Haimbuchner ziemlich unangenehm. Denn sie stellten die Positionierung der Partei als angebliche Vertreterin der arbeitenden Menschen deutlich in Frage.

Doch schließlich überlagerte die Ausländerfeindlichkeit am Wahltag offenbar die soziale Frage. Die FPÖ konnte sich von 15 auf 30 Prozent verdoppeln und stellt nun mit der ÖVP gemeinsam die schwarz-blaue Landesregierung. In der Regierung zeigt sich Haimbuchner als vertrauenswürdiger Anwalt der Betriebe und der Industrie.

So hat Haimbuchner etwa zum Klimawandel durchaus originelle Ansichten. „Man weiß nicht, inwieweit der Mensch daran schuld ist“, erklärt er gegenüber ATV. Das Faktum des menschengemachten Klimawandels bezeichnet er als „Religion“.

So hat Haimbuchner etwa zum Klimawandel durchaus originelle Ansichten: Man wisse nicht, inwieweit der Mensch daran schuld sei.

Verständlicher werden Haimbuchners seltsame Verrenkungen allerdings, nachdem seine Erklärung folgt: „Ich bin ein Gegner von Klimaschutzvorschriften, die man in Wahrheit nicht mehr einhalten kann, wo man die eigene saubere Industrie ruiniert.“ Und wenn es, siehe oben, beste Verbindungen zur oberösterreichischen Industrie gibt, muss dann eben auch mal der menschengemachte Klimawandel hinterfragt werden.

Als weitere Autoren des Wirtschaftsprogramms fungieren FP-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger und FP-Finanzsprecher Hubert Fuchs. Die Transparenzdatenbank des Parlaments zeigt, dass die beiden Abgeordneten nicht unbedingt zu den Ärmsten der Gesellschaft gehören. Von möglichen Kürzungen im Sozialbereich wären sie kaum unmittelbar betroffen.

Kassegger, übrigens laut meineabgeordneten.at auch Mitglied der weit rechts stehenden Burschenschaften Germania zu Graz sowie Thessalia zu Prag in Bayreuth, brachte es 2015 auf bis zu 3500 Euro brutto im Monat. Selbstverständlich zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt. (Zahlen von 2016 liegen noch nicht vor).

Finanzsprecher Fuchs gehört aktuell gar zu den zehn bestverdienenden Abgeordneten im österreichischen Parlament. Zwischen 2013 und 2015 verdiente er jeweils über 10.000 Euro brutto pro Monat. Wiederum: Zusätzlich zu seinem Salär als Nationalratsabgeordneter.

Wirtschaftssprecher Kassegger formulierte für unzensuriert bereits einmal „12 strategische Ziele für eine freiheitliche Wirtschaftspolitik“. Die Behörden sollen sich künftig als „Dienstleister an der Wirtschaft“ sehen, den Unternehmen soll von ihren Bruttogewinnen „möglichst viel übrig bleiben“, für Unternehmen soll es „bestmögliche Voraussetzungen“ zur Finanzierung geben (ob das günstige Kredite oder staatliche Subventionen bedeutet, bleibt offen).

Daneben setzt sich Kassegger vor allem für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein. Das passt zur strategischen FPÖ-Russland-Connection, ist möglicherweise aber auch nicht ganz uneigennützig.

Die wirtschaftspolitischen Ideen der FPÖ sind oft gar nicht so einfach zu finden.

In der Vergangenheit war Kassegger laut meineabgeordneten.at in der Restrukturierung russischer Flughäfen engagiert, aktuell ist er Mitglied der bilateralen parlamentarischen Gruppe Österreich-Russland sowie Obmann der Ukraine-Gruppe.

Sein Kollege Hubert Fuchs trat als „Steuerexperte“ bereits in der Vergangenheit immer wieder für Steuersenkungen ein. Auch er nutzt die weit rechts stehende Plattform unzensuriert zur Verbreitung seiner Thesen.

Im September 2013 machte sich der FPÖ-Finanzsprecher dort zum Anwalt der „fleißigen heimischen Kleingewerbetreibenden und mittelständische[n] Unternehmen“. Sein Angebot für diese Bevölkerungsgruppen: Der Höchststeuersatz soll deutlich angehoben werden. Damit würden die Bestverdienenden künftig weniger Steuern zahlen.

Die wirtschaftspolitischen Ideen der FPÖ sind oft gar nicht so einfach zu finden. Im relativ knapp gefassten Parteiprogramm findet sich wenig Erhellendes. Aufschlussreicher sind da schon das umfangreiche Handbuch Freiheitlicher Politik und das „Impulsprogramm Wirtschaft“. Vieles bleibt aber auch hier unklar oder verklausuliert.

Manches lässt sich über Personalentscheidungen rückschließen. So schickte die FPÖ im Juni 2016 Barbara Kolm als Kandidatin für das Amt der Rechnungshofpräsidenten ins Rennen. Kolm ist die Leiterin des etwas obskuren Hayek-Instituts und wird von der FPÖ auch gern als Expertin in parlamentarischen Debatten nominiert.

Der Ökonom Friedrich August von Hayek, Namensgeber des Institutes von Kolm, ist allerdings äußerst umstritten. Im Sozialstaat sah er den „Weg zur Knechtschaft“, wie eines seiner Werke heißt. Er war auch ein entschiedener Verteidiger des chilenischen Diktators Augusto Pinochet, eines buchstäblich mörderischen Faschisten.

Der Ökonom Friedrich August von Hayek, Namensgeber des Institutes von Kolm, ist allerdings äußerst umstritten. Im Sozialstaat sah er den „Weg zur Knechtschaft“.

Bei einem Interview in Chile während der Pinochet-Diktatur erklärte Hayek in Hinblick auf den Wirtschaftsliberalismus: „Zeitweise ist es notwendig für ein Land für eine bestimmte Zeit die eine oder andere Form von diktatorische Macht zu haben. (…) Persönlich bevorzuge ich einen liberalen Diktator gegenüber einer demokratischen Regierung ohne Liberalismus.“

Und wirklich spannend, wenn auch oft nicht ganz einfach zu finden, sind Interviews, Forderungen und Kommentare des Wirtschaftsflügels der Partei im kleineren Rahmen. Exemplarisch dafür ein Antrag des Wirtschaftsflügels der FPÖ im Parlament der Wirtschaftskammer Wien im November 2016.

Unter dem Titel „Angleichung der Arbeitszeit“ wird eine deutliche Erhöhung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf bis zu 42 Stunden gefordert. Eine genaue Zahl wird zwar nicht genannt, doch erfolgt in der Antragsbegründung der Hinweis auf die 42-Stunden-Woche in der Schweiz, die als positives Vorbild genannt wird. Unmittelbar danach die Schlussfolgerung: „Dies ist eine Erkenntnis, die auch der österreichischen Wirtschaftspolitik offen steht.“

Es ist nicht irgendjemand, der diesen Antrag der FPÖ im Wirtschaftsparlament unterzeichnet hat. Reinhard Pisec ist Industriesprecher der Partei und sitzt für die Freiheitlichen im Bundesrat.

Die beiden einzigen Fragen, die am Schluss eigentlich noch bleiben: Wie kann eine Partei mit solchen Positionen ernsthaft von sich behaupten, eine „soziale“ Partei zu sein? Und weshalb glauben es ihr viele Menschen noch?

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