Die weit rechts stehende Zeitschrift „Wochenblick“ aus Oberösterreich hat mich zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Hier meine Antwort.
Der Wochenblick möchte gern Anfang März in Linz mit mir zum Thema „Fake News“ diskutieren. Am 14. Februar erhielt ich folgende Einladung:
„Sehr geehrter Herr Bonvalot! „Wie umgehen mit Fake News und manipulierter Berichterstattung?“ — Unter diesem Motto wird unsere Zeitung „“Wochenblick“ eine öffentliche Diskussionsrunde in Linz abhalten. (….) Bislang zugesagt hat der Rechtsanwalt aus Wien und Krone-Kolumnist Dr. Tassilo Wallentin (…) würde es uns sehr freuen, wenn Sie in Linz an der Diskussion teilnehmen.“
Meine Teilnahme scheint der Redaktion ein echtes Anliegen, denn bereits zwei Tage später, am 16.02., erhielt ich eine nochmalige Nachfrage, ob ich denn nun an der Veranstaltung am 9. März teilnehmen wolle. Statt einer Mail an die Organisatoren möchte ich hier eine öffentliche Antwort geben.
Wer blickt denn da?
Seit März 2016 erscheint in Oberösterreich die neue Zeitschrift Wochenblick. Das Erscheinungsbild ist professionell, laut „Profil“ hat die Zeitung eine Auflage von 35.000 Stück (wobei das Eigenangaben sein dürften).
Daneben soll es ein Firmenauto geben, ein Büro in Linz und acht bis zehn MitarbeiterInnen. Zumindest zu Beginn wurde die Zeitung in Oberösterreich gratis verteilt. Eine solches Projekt geht ziemlich ins Geld, doch die Finanzierung sei laut Wochenblick für fünf Jahre gesichert – wer finanziert, ist unbekannt.
Sehr unabhängig, FPÖ.
Die Nähe des Blattes zur FPÖ ist allerdings unverkennbar. Sie drückt sich in der Ausrichtung aus, in zahlreichen Anzeigen, aber auch ganz konkret in der Biographie mehrerer RedakteurInnen. Geschäftsführer Norbert Geroldinger etwa hat einen eindeutig blauen Hintergrund: Er war früher FPÖ-Obmann in Brunnenthal bei Schärding, wo auch die Redaktionsadresse der Zeitschrift ist.
Mit dieser Gesinnung ist Geroldinger im Redaktionskollektiv in guter Gesellschaft. So ist etwa Nicole Di Bernardo beim „Wochenblick“ laut Homepage für die „weibliche Perspektive“ zuständig. Auch in der Jugendarbeit sei sie erfahren – wo sie diese Erfahrungen gesammelt hat, wird allerdings verschwiegen.
Ein Blick auf die Seite des „Rings Freiheitlicher Jugend“ ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich: Di Bernardo ist immerhin stellvertretende Bundesvorsitzende der FP-Jugend. Auch auf der Seite der FPÖ Klagenfurt ist sie als „Ortsparteiobfrau“ angeführt, laut OÖN bekleidet sie zusätzlich den Posten der stellvertretenden Stadtparteiobfrau in der Kärntner Landeshauptstadt.
Ideologe der Krone
Mein potentieller Mitdiskutant, Dr. Tassilo Wallentin, ist ebenfalls eine nähere Betrachtung wert. Er darf seit einiger Zeit immerhin in der „Krone“ publizieren. Der Journalist Günter Traxler meinte 2015 im Standard, Wallentin würde als „Chefideologe der Herausgeberfamilie [Dichand] wüten“. Ein Blick auf die Facebook-Präsenz von Wallentin zeigt jedenfalls die eindeutige politische Schlagseite. Flüchtlinge. Flüchtlinge. Sexualstrafrecht verschärfen. Flüchtlinge/Merkel. Mein Hund. Trump. Flüchtlinge … Flüchtlinge.
Ich bin davon überzeugt, dass es wesentlich ist, über rechte und rechtsextreme Kräfte zu recherchieren, zu berichten und auch zu diskutieren. Ich sehe aber keinerlei Sinn darin, in einem solchen Rahmen mit ihnen zu diskutieren. Wir werden uns gegenseitig nicht überzeugen, die Veranstaltung dient somit nur dem Publikum und den VeranstalterInnen.
Der Schein der Vielfalt
Wenn es um ein möglicherweise unentschlossenes Massenpublikum geht (etwa im Fall einer Diskussionssendung im ORF), dann kann der Schlagabtausch auch mit weit rechten Kräften bzw. gegen sie durchaus Sinn machen. Wer dabei als DiskussionsgegnerIn noch akzeptabel ist, wird wohl im Einzelfall zu entscheiden sein und von Umständen, Person und Thema abhängen.
Wenn aber weit rechte Medien oder Organisationen selbst Veranstaltungen organisieren, dann sollen andere DiskussionsteilnehmerInnen vor allem eine scheinbare Meinungspluralität vorgaukeln. Alle Personen am Podium spielen also eine Rolle, sie dienen letztlich der Legitimierung der Veranstaltung, der anderen TeilnehmerInnen am Podium und der VeranstalterInnen.
Teil der Inszenierung
„Aber XY tritt ebenfalls bei unseren Veranstaltungen auf und diskutiert mit XY“, wird es dann heißen. Und so werden Personen und Strukturen in den „akzeptierten“ Diskurs geholt, deren Positionen schlicht nicht akzeptabel sind. Ein gutes Beispiel dafür ist der Red Bull Sender „Servus TV“, der in jüngerer Vergangenheit immer wieder Rechtsextreme und Faschisten einlädt und damit die Grenzen der Einladungspolitik verschiebt. Jüngst erhielt diese Politik allerdings einen Dämpfer.
Trotz intensiver bundesweiter Bemühungen fand der rechtsoffene Sender über Tage für seine Diskussion am 9. Februar keine antifaschistische Aktivistin, die sich mit dem rechtsextremen Ideologen Martin Semlitsch auseinandersetzen wollte. Als Gegenpart für Semlitsch (der sich selbst Lichtmesz nennt) fand sich schließlich auf einem rein männlichen Podium Ex-Profil-Chefredakteur Herbert Lackner. Dieser konnte allerdings das Profil der „rhetorisch starken Dame, die für den ,Kampf gegen Rechts‘ eintritt“ (Servus TV in einer Anfrage) naturgemäß eher schlecht als recht ausfüllen.
Wer kommt, legitimiert.
Interessanter wäre allerdings gewesen, wenn auch Lackner nicht zur Debatte mit einem extremen Rechten bereit gewesen wäre. Sender wie Servus TV sind auf (zumindest scheinbar) ausgewogene Podien angewiesen. Die Einladung weit rechts stehender Personen und damit die immer weitergehende Verschiebung der noch akzeptablen Gäste klappt also dann besonders gut, wenn sich DiskussionsgegnerInnen finden.
Manche Rechtsextreme verfolgen einen offensiven und möglichst vertrauten Umgang mit den Medien auch als offensichtliche Strategie. So suchen Kader der neofaschistischen „Identitären Bewegung“ (IB) vor allem via Twitter gezielt die Kommunikation mit JournalistInnen.
Umarmung …
Gleichzeitig werden an anderer Stelle Recherche-JournalistInnen zur Zielscheibe der rechten Aufmerksamkeit der anderen Art. Ich selbst wurde allein in den letzten Tagen beispielsweise auf „unzensuriert.at“ und „Info Direkt“ namentlich erwähnt. Bereits 2015 beklagte der „Nationale Widerstand Wien“, dass eine nicht-angemeldete Kundgebung der IB nicht dazu benutzt worden sei, mich zu „verarzten“.
Besondere Aufmerksamkeit wurde mir auch von der IB zu Teil. Der „Leiter“ der Neofaschisten, Martin Sellner, begegnete mir vor wenigen Tagen zufällig beim Einkaufen. Ich ignorierte ihn, doch als er mich schließlich ebenfalls erblickte, zückte er sofort die Kamera und verhielt sich wie einer dieser kleinen jungen Hunde, die hochspringen wollen und kaum mehr loszuwerden sind.
Auch mein Hinweis, dass ich mit ihm aufgrund seiner neofaschistischen Gesinnung nichts zu besprechen hatte, fruchtete nicht, mit der Kamera in der Hand folgte er mir durch das Einkaufszentrum. Als allerdings zufällig zwei Polizisten in Sichtweite auftauchten, verschwand Sellner ebenso schnell wie spurlos.
… und versuchte Einschüchterung
In Folge tauchten zahlreiche Tweets von IB-Kadern über mich auf, Bilder, Kommentare, Beschimpfungen. Hervorgetan hat sich dabei neben Sellner etwa auch Philipp Huemer, der Sprecher des Wiener Ablegers der Gruppe. In der Vergangenheit fiel er etwa auf, weil er an einem Raufhandel mit AntifaschistInnen beteiligt war.
Und das ist die andere Seite der rechten Medien-Strategie: versuchte Einschüchterung, wenn die Umarmung nicht auf Gegenliebe stößt. Beide Seiten gehören zusammen, die eine ist ohne die andere nicht denkbar.
Nun wird die Einschüchterung bei mir nicht klappen. Doch auch die Strategie der Umarmung muss ich ablehnen. Ja, wir müssen über Rechtsextremismus reden. Wir müssen aber nicht mit Rechten und Rechtsextremen reden.
Daher, Redaktion Wochenblick, lehne ich die Einladung zu Ihrer Veranstaltung hiermit ab.
Michael Bonvalot