Warum ich gegen eine Impfpflicht war – und jetzt dafür bin

Protest gegen den Corona-Aufmarsch der FPÖ am Wiener Heldenplatz am 20.05.2020. Bild: Michael Bonvalot

Die Impfpflicht wird zu zahlreichen Problemen führen – und Staat und Polizei ungesund viel Macht geben. Regierung, Corona-Leugner*innen und extreme Rechte sind schuld, dass wir sie dennoch brauchen.

Allen Menschen mit einer gesunden Skepsis gegenüber Staat und Polizei muss gerade schlecht werden. Aus guten Gründen gab es in Österreich etwa bisher keine generelle Ausweispflicht – rassistische gesetzliche Ausnahmen ausgenommen. Ich bin mehrmals selbst gegen Ausweiskontrollen vor Gericht gegangen – und habe durchwegs Recht bekommen, ein Fall liegt gerade beim Verwaltungsgerichtshof. Doch jetzt soll auf einmal alles ganz anders werden?

Die Impfpflicht gibt der Polizei die Möglichkeit, immer und überall Menschen anzuhalten und zu kontrollieren. Das kann niemand wollen, der nicht komplett blind und kontrollfanatisch ist. Auch deshalb habe ich mich immer wieder gegen eine generelle Impfpflicht ausgesprochen.

So hatte ich etwa am 28. September geschrieben: „Ich bin absolut für eine Impfpflicht für Menschen, die in Schulen, Kindergärten, Kliniken, der Pflege oder dem Sozialbereich hackeln.“ Und gleichzeitig: „Ich bin gegen eine generelle Impfpflicht.“ Und danach hat die Regierung noch eines draufgesetzt: Mit der neuen Kommission Gecko wird der Umgang mit dem Virus nun endgültig militarisiert.

Ein Offizier im Tarnanzug verkündet jetzt die neuesten Nachrichten. Das macht einerseits Angst. Und ist andererseits eine – in gewissen Kreisen zweifellos absolut beabsichtigte – Propaganda für Aufrüstung und den gefährlichen Einsatz des Bundesheeres innerhalb Österreichs. Anstatt endlich auf zivilen Katastrophenschutz umzusteigen.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Im aktuellen Entwurf der Regierung ist es offensichtlich möglich, sich von der Impfpflicht schlicht freizukaufen. Eine Klassenfrage. Eine logische Mindestanforderung wäre, dass die Höhe der Strafe sich an Einkommen und Vermögen orientiert.

All diese Probleme sehe ich weiterhin. Dennoch habe ich meine Meinung geändert. Seit vielen Jahren ist es – glücklicherweise – so, dass Eltern ihre Kinder in den meisten Fällen gegen viele sehr gefährliche Krankheiten impfen lassen. Übrigens: Masern sind gefährlich. Bitte, hört auf mit dem Scheiß. Impft eure Kinder dagegen und schützt damit alle Kinder!

Wir wissen, dass Impfungen viele Millionen Menschenleben gerettet haben. Demgegenüber steht die Autonomie über den eigenen Körper. Ein hohes Gut und darüber sollte nicht leichtfertig entschieden werden.

Impfen bedeutet Solidarität!

Doch Impfen ist auch Solidarität – gegenüber jenen, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden können oder wo eine bestimmte Impfung nicht anschlägt. Gegenüber jenen, die mit Impfdurchbrüchen ärztliche Hilfe brauchen. Gegenüber jenen, die aus anderen Gründen ärztliche Hilfe brauchen und sie nicht bekommen, weil alles überlastet ist. Gegenüber den Kolleg*innen in den Spitälern, in der Pflege, in der Infrastruktur, im Handel.

Wir wissen, was Covid-19 anrichten kann. Menschen werden schwer krank. Menschen leiden unter LongCovid. Menschen leiden unter den psychischen Auswirkungen der Pandemie. Menschen sterben. Wir müssen das so schnell wie möglich in den Griff bekommen.

Offensichtlich brauchen wir eine möglichst hohe Impfquote, damit es eine Chance im Kampf gegen das Virus gibt. Und offensichtlich erreichen wir diese Impfquoten nicht ohne eine Impfpflicht. Vor allem Schuld daran sind jene Corona-Leugner*innen und extremen Rechten, die mit komplett absurden Argumenten Stimmung gegen eine lebensrettende Impfung machen. Diejenigen, die „Freiheit“ schreien, nehmen uns allen die Freiheit. Weil sie politisch davon profitieren. Weil sie teils komplett verrückt sind. Und weil sie oft selbst sehr gut daran verdienen.

Die rechte Parallelwelt Telegram ist das Zentrum der Corona-LeugnerInnen

Sie verdienen etwa durch Spenden, Bustickets, Atteste, Klagen, den Verkauf dubioser Literatur oder angebliche alternative Methoden zur Heilung von Covid-19. Bitte sagt übrigens nicht mehr „Alternativmedizin“. Das ist keine Medizin. Es gibt ja auch keine Alternativphysik. Diese Personen brauchen die Pandemie – und sorgen real mit ihrem Verhalten und ihrer Propaganda dafür, dass sie noch möglichst lange weitergeht.

Wir bekommen all das aktuell offenbar nicht anders in den Griff als mit einer Impfpflicht. Bedeutet das, dem Staat einen Freibrief auszustellen? Sicherlich nicht.

Die Regierung hat im Lauf der Pandemie sehr oft, sehr viel und sehr gründlich verschissen. Im Kern verantwortlich ist dafür offensichtlich die ÖVP, die aus Rücksicht auf ihre Geldgeber in der Wirtschaft und vor allem im Tourismus laufend auf die Bremse stieg. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 endet dieses Virus in Österreich offenbar konsequent an den Werkstoren der Fabriken und an den Eingangstüren der Büros.

„Die Hure der Reichen.“

Während es nicht erlaubt war, sich im Freien zu treffen, durften sich die arbeitenden Menschen in der Hacke oft dicht an dicht drängen. Die Schulen sollen um jeden Preis offen bleiben. Es wäre naiv zu glauben, dass es hier allen um die betroffenen Kinder und Jugendlichen geht – im Gegenteil, die sind massiv gefährdet (Apropos: Wo bleiben endlich Luftfilter und andere zentrale Maßnahmen?). Doch wenn Kinder zu Hause bleiben, brauchen sie Betreuung. Und wenn die Eltern zu Hause bleiben müssen (und dafür hoffentlich bezahlt werden!), gefährdet das die Profite. Und schließlich die Tourismusindustrie!

„Das oberste Ziel muss sein, dass eine Wintersaison stattfinden kann“, erklärte ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger am 5. November 2021. Und noch am 13. Jänner 2022 meinte sie mitten in der Omikron-Welle: Trotz „extrem besorgniserregender Prognosen“ solle die Wintersaison durchgezogen werden. Das ist bemerkenswert.

Denn genau am selben Tag wurde laut Standard in der nichtöffentlichen Sitzung der Corona-Kommission ausgeführt, dass Après-Ski inzwischen für drei Viertel der geklärten Corona-Fälle im Freizeitbereich verantwortlich ist. The capitalist show must go on. Um jeden Preis. Oder wie Thomas Schmid die ÖVP nannte: „Die Hure der Reichen.“

Apropos Kapitalismus: Es war nicht so überraschend, dass diese Pandemie kommt, wie manche jetzt tun. Der marxistische US-Wissenschaftler Rob Wallace etwa warnt seit langem, dass die Abholzung der Wälder, die Massentierhaltung und der Kapitalismus das Risiko und die Gefahren von Pandemien verschärfen. Schon 2009 notierte er: „Das Establishment scheint bereit zu sein, einen Großteil der weltweiten Produktivität aufs Spiel zu setzen, die katastrophal einbrechen wird, wenn zum Beispiel in Südchina eine tödliche Pandemie ausbricht – von Millionen Menschenleben einmal abgesehen.“ Hier habe ich aufgeschrieben, wovor Wallace warnt und warum die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit sein könnte.

Mit der Massentierhaltung züchten wir schon die nächste Pandemie nach Corona

Und schließlich: Die fehlenden Kampagnen zur Impfung! Für August und September 2021 behaupteten böse Zungen gar, dass die ÖVP nochmals bewusst bremsen würde – denn am 26. September standen die Landtagswahlen in Oberösterreich an, wo besonders viele impfresistente Personen wohnen. Und bis heute gibt es bundesweit keine durchgehenden, zielgruppenorientierten und mehrsprachigen Kampagnen in ausreichendem Umfang.

Habe ich also irgendein Grundvertrauen in den Staat oder diese Regierung? Sicherlich nicht. Doch die Impfpflicht erscheint mir derzeit kurzfristig alternativlos. Und dann werden wir über den Kapitalismus sprechen müssen. Dringend.

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