Warum Uni-Proteste in Österreich immer wieder scheitern

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[Vice] Vor genau fünf Jahren war das Audimax der Uni Wien für Monate besetzt—aber wie alle Studi-Proteste davor verlief auch dieser im Sand. Wir sagen euch, weshalb das immer wieder passiert.

[Erstveröffentlichung: Vice, 27.10.2014] Zwei Dinge passieren mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf den Unis dieses Landes: Es gibt Angriffe auf das Bildungssystem und eine neue Generation von Studierenden geht dagegen auf die Straße.

Im Oktober 1987 wurde das Audimax für mehrere Wochen besetzt, es gab Großdemos von bis zu 40.000 Studis. Grund waren Kürzungen bei der Familienbeihilfe, bei der Freifahrt sowie bei den Stipendien. Nach den Weihnachtsferien war die Bewegung vorbei. 1995 organisierte die trotzkistische „SchülerInnen-Aktions-Plattform“ große Schulstreiks gegen Kürzungen, daraus folgt die Uni-Bewegung im Frühjahr 1996. Das Audi-Max wurde besetzt, bis zu 40.000 Studis demonstrierten. Nach den Oster-Ferien war die Bewegung vorbei. Im Oktober 2000 protestierten zehntausende gegen die Einführung der Studiengebühren durch die schwarz-blaue Bundesregierung. In den folgenden Monaten verlor sich die Bewegung, ein Gebührenboykott durch die ÖH scheiterte.

Bild: Michael Bonvalot

Im Herbst 2009 hatten wieder viele Studis die Schnauze voll, diesmal vom Druck durch das Bologna-System und die fehlende Ausstattung auf den Unis. Begonnen hatte es mit Protesten vor allem von StudentInnen der Internationalen Entwicklung, der Powi und der Bildenden. Von Oktober bis Dezember war das Audimax besetzt, bis zu 40.000 Studis gingen—wieder einmal—in Wien auf die Straße. Im Dezember war die Bewegung vorbei und die Polizei konnte das Audimax als Symbol der Bewegung ohne Widerstand räumen. Im Frühjahr 2010 gab es mit den Protesten gegen den Gipfel zur Bologna-Reform in Wien nochmals ein letztes Aufflackern, doch die Luft war draußen.

Das Bundesheer übt Einsätze gegen Demos und Streiks

Es ist ziemlich offensichtlich, dass es da ein gewisses Muster gibt. Studis empören sich zurecht gegen miese Bedingungen. Die Bewegungen setzen meist mit Semesterbeginn ein. Oft ist es der Herbst, wenn eine neue Generation auf die Unis kommt beziehungsweise viele ältere Semester noch Power haben und nicht im Strudel des Lernalltags verloren sind. Doch schließlich setzt die Regierung sich fast immer durch—ganz einfach, indem sie die jeweilige Bewegung aussitzt.

Aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang nicht nur der Beginn der jeweiligen Bewegungen, sondern auch ihr Ende. Die ganze Geschichte ist eigentlich immer dann vorbei, wenn die Haupt-Prüfungszeit im Jänner bzw. ab Ostern beginnt. Das ist kein Wunder und auch keine Verschwörungstheorie: Sehr viele Studierende sind auf Familienbeihilfe und Stipendien angewiesen und können es sich einfach nicht leisten, zu wenig ECTS-Punkte zu haben oder gar ein Semester zu verlieren. Das weiß die Regierung natürlich ganz genau und lehnt sich bei Studi-Protesten weitgehend entspannt zurück.

Der Kommerz am Donaukanal wird zum Problem

Es gibt nämlich ein zentrales Problem: Studierende haben keine ökonomische Macht. Wenn KrankenpflegerInnen streiken, dann hat die Gesellschaft ein Problem. Wenn die ArbeiterInnen der VOEST Linz streiken, hat die VOEST ein Problem (und Linz auch). Wenn die Supermarkt-KassiererInnen streiken, dann haben die Handelskonzerne ein Problem. Doch wenn Studierende streiken, dann haben vor allem viele Studis ein Problem, indem sie Prüfungen nachholen, Arbeiten im Eiltempo schreiben und Scheinen hinterherlaufen müssen.

Die logische Schlussfolgerung: Es wäre für Uni-Bewegungen sehr schlau, sich immer auch anzusehen, wer außerhalb der Uni zum gleichen Zeitpunkt noch von Verschlechterungen betroffen ist oder gerade von sozialen Angriffen bedroht wird. Wenn etwa nicht mehr nur Studierende auf der Straße sind, sondern auch KindergärtnerInnen, BusfahrerInnen oder MieterInnen, würde die Sache schon anders aussehen. Dann gibt es auch auf den Unis selbst im Rahmen von Partnerschaften mit privaten Konzernen zahlreiche Forschungseinrichtungen, wo mächtig Geld drin steckt. Ein Blick dorthin wäre in Zeiten von Protesten sicherlich lohnenswert.

Und schlussendlich geht es auch um die Bewegung selbst. Die Audimax-Bewegung hat sich auch deshalb verlaufen können, weil sie schnell vor allem mit sich selbst beschäftigt war. Am ersten Tag wurde ein Streik-Komitee gewählt, ab dem zweiten Tag war keine Rede mehr davon. Einmal wurde ein Beschluss gefasst, von einer anderen zufälligen Mehrheit am nächsten Tag wurde er wieder umgestoßen. Studis, die bereits in politischen Strukturen organisiert waren, wurden von einigen deshalb angemotzt, anstatt von ihrer Erfahrung zu profitieren. Völlig zufällig ausgewählte Studis waren in den Medien als SprecherInnen der Bewegung zu sehen und konnten dort sagen, was ihnen gerade in den Sinn kam. Sie hatten sich einfach in der Mediengruppe angemeldet.

Demo der Kindergarten-Pädagog:innen in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Viele Studierende hatten (durchaus nachvollziehbar) Angst vor irgendwelchen SprecherInnen, die sich dann selbstständig machen würden. Doch die scheinbare Basisdemokratie führte erst recht dazu, dass irgendjemand für die Bewegung sprach, aber von überhaupt niemandem kontrolliert wurde. Und Basisdemokratie war und ist eben immer auch eine Demokratie derjenigen, die viel Zeit haben. Studis, die nebenher arbeiten müssen, Studis mit Kinderbetreuungspflichten, MigrantInnen mit dem Druck von Studiengebühren—da bleiben viele über, die nicht ausschließlich im Audimax sitzen konnten. Was hier wohl klüger wäre, als überlange Sitzungen ohne Struktur, wären Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Teilnahmemöglichkeit und breite Information an alle Studis dazu, was als nächstes geplant ist.

Zusammengefasst: Es gab zwar viele gut funktionierende dezentrale Strukturen, aber kaum Vernetzung, Beschlüsse und nur wenige nach außen gehende Aktionen. Doch gerade schnelles Handeln wäre eine Antwort, um nicht in die Semester-Ende-Bewegung-down-Falle zu tappen.

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Schließlich gab es vor allem zu Beginn der Audimax-Bewegung auch immer wieder Probleme mit Sexismus und Saufexzessen. Typen zeigten ihr Teil auf der Bühne, angeblich soll es Übergriffe in den Schlafbereichen gegeben haben. Und so war der Freiraum für viele bald gar nicht mehr so frei. Auch hier sollte für die Zukunft bereits zu Beginn überlegt werden, was geht und was nicht. Und was nicht geht, darf eben auch konsequent keinen Platz bekommen.

Das bedeutet überhaupt nicht, dass es prinzipiell sinnlos wäre, gegen unzumutbare Bedingungen auf der Uni zu protestieren. Im Gegenteil: Viele Bewegungen haben zumindest kleine Verbesserungen bewirkt (oder Verschlecherungen abgewehrt). Sie haben das Bewusstsein der Öffentlichkeit geschärft und waren für viele Beteiligte wichtige politische und persönliche Erfahrungen. Aber es bedeutet, dass auf die nächste Protest-Generation—die es mit Sicherheit geben wird—ein paar wichtige Fragen zukommen. Je früher wir nachdenken und uns bewusst wird, dass vor allem gemeinsame Lösungen zählen, umso besser.

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