Warum ein Verbot der „Identitären“ eine Nebelgranate wäre

Bild: Michael Bonvalot

Warum eine Auflösung der neofaschistischen Gruppe „Identitäre Bewegung“ eine reine Ablenkung wäre. Und wie tief die Verbindungen in die FPÖ reichen.

Die österreichischen Bundesregierung prüft die Auflösung der neofaschistischen Gruppe „Identitäre Bewegung“. Das hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) heute bekanntgegeben. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kündigt laut APA „schonungslose Aufklärung“ an.

Zur Erinnerung: Montag abend wurde bekannt, dass der zentrale deutschsprachige IB-Kader Martin Sellner eine Spende über 1500 Euro vom Attentäter von Christchurch erhielt. Sellner will das erst kurz zuvor bemerkt haben – obwohl er selbst die Spende als auffallend hoch bezeichnet hat.

Hausdurchsuchung bei Neofaschisten-Kader Sellner wegen Christchurch

Die Regierung sieht sich nun offenbar unter Zugzwang. Wenn es sich um irgendeine neofaschistische Gruppe handeln würde, wäre der Druck nicht so hoch. Doch es ist für alle Interessierten offensichtlich, dass es enge Verbindungen zwischen FPÖ und IB gibt.

Strache selbst hat die IB als „junge Aktivisten einer nicht linken Zivilgesellschaft“ bezeichnet und Beiträge der Organisation geteilt. Das Posting über die IB wurde übrigens offenbar vor wenigen Tagen gelöscht. Strache hat damit die Reichweite der IB in sozialen Medien aktiv erhöht. Strache wurde auch schon „beim gemütlichen Zusammensein mit Identitären-Kader“ gesehen. Eine Klage, die Strache gegen diese Formulierung angestrengt hatte, musste er zurückziehen.

„Identitäre“ als parlamentarische MitarbeiterInnen der FPÖ

Ehemalige oder aktuelle Kader der IB arbeite(te)n auch für die FPÖ im Parlament. Über einen dieser Kader, Siegfried Waschnig, könnt ihr in meiner Recherche „Das Vermächtnis des satanischen Sexualmagiers Aleister Crowley im FPÖ-Parlamentsklub“ mehr lesen. Ein anderer, Alexander Schleyer, war Besatzungsmitglied es IB-Schiffes zur Abwehr von Flüchtlingen. Über Schleyer habe ich hier geschrieben.

Das Grazer IB-Lokal soll von FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl vermietet worden sein, der insgesamt in einem Naheverhältnis zur IB steht und auch selbst als Ordner bei Aufmärschen der Gruppe fungiert hat. Der Freiheitliche Akademikerverband (FAV) in der Steiermark, dessen Obmann Sickl ist, organisiert gemeinsame „Herbstakademien“ mit dem IB-nahen „Institut für Staatspolitik“ (IfS).

Burschenschaftlich soll Sickl bei der Arminia Graz korporiert sein, schreibt die Recherche Graz. Es wäre nicht überraschend – sondern eher ungewöhnlich, wenn ein FAV-Obmann keinen korporierten Hintergrund hätte.

Biertonnen, Terror und Faschismus

In Linz ist das IB-Lokal im Keller der Burschenschaft Arminia Czernowitz beheimatet, der sogenannten Villa Hagen. Die Arminia darf als Kaderschmiede der FPÖ Oberösterreich gelten. Mitglieder sind etwa Detlef Wimmer, FPÖ-Vizebürgermeister von Linz, oder Michael Raml, bald FPÖ-Stadtrat in Linz.

Apropos Oberösterreich: Noch 2016 sprach der heutige Innenminister Herbert Kickl dort am „Verteidiger Europas“ Kongress, wo die IB eine wesentliche Rolle spielte. Die Veranstalter schrieben damals ganz offen, der Kongress solle eine „Leistungsschau der identitären und konservativen Arbeit im publizistischen, kulturschaffenden sowie politischen Bereich“ werden. Angemietet wurden die Räumlichkeiten ebenfalls von der besagten Burschenschaft Arminia Czernowitz.

Tief in der FPÖ-Jugend

Im Burgenland schließlich wurde die IB in der Vergangenheit vom Ring freiheitlicher Jugend (RFJ) regelrecht hofiert. Die Jugendorganisation der FPÖ lud die IB mehrmals zu Vorträgen ein. 2015 konnte der damalige IB-Obmann Alexander Markovics über die IB-Kampagne „Der große Austausch“ berichten, so der damalige RFJ-Landesobmann Werner Wassicek in der an Medien verschickten Einladung.

Mit dem Slogan „Der große Austausch“ beging 2019 der Attentäter von Christchurch sein Massaker. An dem Austausch mit der IB nahm unter anderem Géza Molnár teil, damals bereits designierter FPÖ-Landtagsabgeordneter im Burgenland.

Seinem Aufstieg in der FPÖ hat das nicht geschadet: Inzwischen ist Molnár Klubobmann der FPÖ im Landtag und stellvertretender Landesparteiobmann der FPÖ Burgenland. Die Verbindungen zwischen IB und RFS dürften dabei auch stark über burschenschaftliche Zusammenhänge gelaufen sein.

Markovics – der sich inzwischen von der IB entfernt hat und ins rechte russophile Lager gewechselt ist – ist Mitglied der einschlägig bekannten Burschenschaft Olympia (wo auch Martin Sellner burschenschaftlich sozialisiert wurde). Mit dem damaligen burgenländischen RFJ-Landesobmann Wassicek posierte Markovics 2016 am Akademikerball der deutschnationalen Burschenschaften .

Das sollte nicht überraschen. Die IB darf insgesamt als aktivistischer Arm der Burschenschaften gelten. Von Sellner abwärts ist ein Großteil der IB-Kader „korporiert“. So laufen auch die Verbindungen zur FPÖ, denn gleichzeitig sind die Burschenschaften parteipolitisch eng mit der FPÖ und ihren Jugendorganisationen verknüpft.

Die Burschenschaften sind das zentrale Verbindungsglied zwischen „Identitärer Bewegung“ und der FPÖ.

 

Kurze Burschenschafter-Wege vom Neonazi-Security zur FPÖ-Spitze 

Möglicherweise kann die Regierung die IB als Struktur tatsächlich verbieten (ob das juristisch klappt, werden wir sehen). Doch die Personen verschwinden deshalb nicht. Es ist eher im Gegenteil davon auszugehen, dass Kader dann verstärkt in der FPÖ aktiv werden.

Die FPÖ als Schutz für Nazis und Faschisten wurde schon in den 1990ern als Parole der Küssel-Gruppe ausgegeben. Damals war auch Strache im Neonazi-Milieu und nahm an zumindest einer Wehrsportübung teil. Damalige Mitglieder der VAPO-Gruppe und Wehrsport-Kameraden von Strache sitzen heute in den Ministerien. Exemplarisch genannt sei René Schimanek. Ex-VAPO, heute Kabinettchef von Norbert Hofer im Infrastrukturministerium.

Das Netzwerk der Identitären

Später haben sich Sellner und andere IB-Kader über die Küssel-Strukturen politisiert, bevor sie die IB gegründet haben. Nun könnten auch sie tiefer in die FPÖ eintauchen. Der Kreis würde sich schließen.

Doch faktisch würde ein Verbot der IB gar nichts ändern. Denn die IB ist nur ein Element der extremen Rechten – letztlich ein sehr unbedeutendes. Das Verbot ist eine Nebelgranate. Denn in Österreich ist die extreme Rechte schon längst in Parlament und Regierung angekommen.

Für alle, die mehr wissen wollen, empfehle ich meinen ausführlichen Beitrag zur Geschichte, Ideologie und Politik der IBÖ im Sammelband „Das Netzwerk der Identitären“.

 

 

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