Willkommen in Hypotopia

Alle Bilder: Armin Walcher

[jw] Milliardensummen in den Sand oder für soziale Projekte? Wiener Studierende machen mit einer Modellstadt die Kosten der Bankenrettung sichtbar

[Erstveröffentlichung: junge welt] Hypotopia ist eine Stadt für rund 100.000 Einwohner, komplett mit Infrastruktur, öffentlichem Verkehr, Spital und Energieversorgung. Große Grünschneisen reichen weit bis ins Zentrum, sie ist weitgehend autofrei und energieautark. Kurz: Hypotopia ist eine sehr lebenswerte Stadt. Allerdings ist sie nicht real, sondern ein Modell im Maßstab 1:100, das derzeit am zentralen Wiener Karlsplatz steht.

Das Besondere daran? Diese Stadt tatsächlich zu bauen würde rund 19 Milliarden Euro kosten. Komplett mit Planungs- und Bauaufwendungen, Grundstücksablösen und Infrastruktur. Und es ist ziemlich genau jener Betrag, den es voraussichtlich kosten wird, die »Rettung« der Bank Hypo Alpe Adria zu finanzieren, ehemals eines der größten Finanzinstitute der Alpenrepublik.

Alle Bilder: Armin Walcher

Lukas Zeilbauer, einer der Initiatoren des Projekts, sagt, dass das Problem solcher Beträge ist, dass niemand sie sich mehr vorstellen kann. »19 Milliarden, das klingt nach nicht viel. Doch umgerechnet sind das rund 6.000 Euro für jede Familie in Österreich.« Zeilbauer und andere Studierende der Technischen Universität wollen nun zeigen, was dieser Betrag bedeutet und was damit finanziert werden könnte. Sie haben sich also entschlossen, Hypotopia zu planen, mit 102.000 potentiellen Bewohnerinnen und Bewohnern immerhin die sechstgrößte Stadt des Landes.

Eine Stadt für Menschen

Es sollte ein bewusster Gegenentwurf zu vielen Aspekten der aktuellen Stadtplanung werden. Zwar gibt es Straßen in Hypotopia, doch die Stadt ist so konzipiert, dass alle Wege bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können. Zwei Tramlinien und zwei Flussbusse erschließen die Modellkommune.

Grünräume waren den Initiatoren enorm wichtig. Zeilbauer erklärt: »Wir haben unsere Idealstadt konzipiert. Wir haben auch die Planung so begonnen, dass wir zuerst die Grünräume festgelegt haben.« Die Uferzonen und Grünbereiche sind offen gestaltet und sollen als Naherholungsgebiet für alle Einwohner dienen. Das erinnert an einen demonstrativen Gegenentwurf etwa zu den Debatten rund um das Spreeufer in Berlin.

Eine Bank für einen Euro

Die Erdgeschosszonen sollen multifunktional sein. Dort gibt es unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten, etwa Geschäfte, Lokale oder nichtkommerzielle Räume. Daneben sind Bildungseinrichtungen, ein Spital, ein großer Bahnhof, einige Industriegebäude und zahlreiche Freizeiteinrichtungen vorgesehen. Für die Energieversorgung stehen ein Flusskraftwerk, eine Biogasanlage, Windräder, Sonnenkollektoren und andere erneuerbare Energieträger zur Verfügung.

Als Pointe findet sich in Hypotopia auch ein großes Stadion. Denn die Modellstadt ist in vielen Bereichen an die etwa gleich große Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt angelehnt, den Sitz der Konzernzentrale der Hypo-Gruppe. Für das Stadion diente die »Hypo-Arena« als Vorbild, die gilt in Österreich als Musterbeispiel für ein sinnloses Geldverschwendungsprojekt. Auch die Grundstückspreise von Klagenfurt wurden als Referenz herangezogen. Zeilbauer sagt, dass es dem Team sehr wichtig war, mit korrekten und nachvollziehbaren Zahlen zu arbeiten.

Arbeit, Kaffee, Debatten

In Hypotopia steckt enorm viel Arbeit einer Vielzahl von ehrenamtlich Beteiligten. Dreißig Leute haben an der Planung mitgewirkt, rund 70 Helferinnen und Helfer beim Aufbau. Bis dahin war es ein weiter Weg. 10.200 Arbeitsstunden und 270 Liter Kaffee hat es gekostet, die Modellstadt zu errichten.

Aufgestellt wurde es nun vor der barocken Wiener Karlskirche in einem Becken, wo normalerweise ein künstlicher See die Kirchenkuppel spiegelt. Für Zeilbauer war von Beginn an klar, dass es dieser Platz sein musste: »Das Becken gibt die ideale Einfassung für das Modell, die Größe stimmt, und es ist ein zentraler Platz, wo viele Menschen vorbeikommen.« Für das Team war wichtig, dass Hypotopia Diskussionen auslöst.

Alle Bilder: Armin Walcher

Dieses Konzept ist offensichtlich aufgegangen. Als jW die Installation besucht, stehen dort überall Menschen und debattieren. Hilfreich ist dabei, dass es auch ein Team gibt, das die Besucher mit einem Informationsheft versorgt (wobei der Folder leider sehr wenig Infos über das Hypo-Desaster enthält und fast nur auf die Stadtplanung eingeht). Interessanterweise stehen auch schon kleine Baummodelle in der Stadt, die von Kindern gebracht wurden. Zeilbauer hofft, dass sich das fortsetzt, und freut sich auch über Graffiti oder andere unerwartete Beiträge.

Doch darüber soll nicht vergessen werden, worum es geht. Zeilbauer und das ganze Team wollen Debatten anstoßen. Er sagt, dass es an Protestkultur fehlt. Veränderung könne nur von unten kommen. Denn: »Die Hypo ist ein Symptom des Kapitalismus. Das ist ein System, das zerstört und wo die Gier regiert.«

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