„Wir holen uns die Mauer zurück“

Bild: Manfred Knoblauer

[FM4] Neonazis hatten in Wien ein großes Graffiti der jungen Rap-Crew Broke MC’s übersprayt. Nun haben sich die Wiener Rapper die Wand zurückgeholt.

[Erstveröffentlichung: FM4, 31.10.2019] „Es war wie ein Stich in die Niere, als ich es gesehen habe“, sagt der Wiener Rapper Kimo. Eigentlich war am vergangenen Sonntag alles bereit für einen großen Videodreh seiner Crew Broke MC’s. Dutzende Leute hatten sie zusammengetrommelt, erst in der Nacht davor war ein riesiges Graffiti mit dem Namen der Crew bei der Wiener Nordbrücke fertig geworden.

„Das Piece hat LSC für uns gemacht, die beste Spray-Crew von Wien“, sagt Kimo stolz. 40 Meter lang ist es geworden und 6 Meter hoch, auf einer der legalen Spray-Flächen in Wien. Broke MC’s wollen professionell durchstarten, das neue Video soll der nächste große Schritt sein. „Wir wollen nicht nur in Wien drehen, sondern auch in Rom und Marseille, wo ein Teil meiner Familie lebt“, erzählt Kimo.

Neonazi-Parolen

Doch dann die böse Überraschung: Als sie am Sonntag zum Drehort kommen, stehen auf einmal die Buchstaben „Eisern Wien“ quer über dem Graffiti der Wiener Rap-Crew mit tunesischen Wurzeln. Dazu die Zahl „1683“ und die Abkürzung „TB“. Rund 30 teils vermummte Personen posieren davor, einschlägige Parolen wie „Sieg Heil“ und „Frei, sozial und national“ sollen geschrien worden sein, wie andere ZeugInnen berichten.

Bild: privat

Schließlich kommt die Polizei, die Rechten flüchten. „Einer hat noch ein Messer in die Donau geworfen“, erzählt ein Crew-Mitglied. Broke MC’s haben die Situation in einem kurzen Video festgehalten.

https://www.instagram.com/p/B4MScRklh5T/

„Als ich gesehen habe, wer das ist, war das dann der zweite Stich“, sagt Kimo. Denn Eisern Wien ist kein Hinweis auf den Handel mit Altmetallen, sondern eine extrem rechte und einschlägig bekannte Hooligan-Truppe. Die Truppe ist ein Zusammenschluss aus einschlägigen Fans der beiden Wiener Großklubs Austria und Rapid.

In rechten Wiener (Fußball-)Szenen wird der Slogan „Wien, Wien, Eisern Wien!“ zum gegenseitigen Aufputschen verwendet, hier etwa 2016 am Rand einer Kundgebung der FPÖ:

Vor allem bei internationalen Spielen sollte mit dem Zusammenschluss früher die „Schlagkraft“ erhöht werden, doch in den letzten Jahren war die Gruppe schon etwas in Vergessenheit geraten. Jetzt versuchen jüngere Neonazis offenbar, die Truppe wiederzubeleben.

Dazu die Zahlenkombination „1683“. Es ist das Jahr der Belagerung Wiens durch Truppen des Osmanischen Reichs – die Jahreszahl wird seit Jahren von extrem rechten Kreisen instrumentalisiert. Schließlich die Abkürzung „TB“ – es steht vermutlich für Tanzbrigade, eine seit einigen Jahren aktive Wiener Neonazi-Gruppe.

Kurze Burschenschafter-Wege vom Neonazi-Security zur FPÖ-Spitze 

In den kommenden Tagen wird dann auf einschlägigen Plattformen ein Foto des rechten Auftritts bei der Wiener Nordbrücke erscheinen. Rund 30 teils vermummte Gestalten sind vor dem Graffiti zu sehen, dazu die Aufschrift „‚Eisern Wien‘ are nationalist Hooligans united from Austria Wien and Rapid Wien“.

Broke MCs

Bild: Manfred Knoblauer

Sprayback!

Doch Broke MC’s wollen das so nicht stehen lassen. Kimo sagt: „Dass so etwas in Wien noch existieren kann, finde ich entsetzlich.“ Kurzentschlossen trommeln Broke MC’s am Mittwochnachmittag noch einmal befreundete MusikerInnen und die Sprayer-Crew von LSC zusammen. „Wir holen uns die Mauer zurück“, sagt Kimo.

Gemeinsam wollen sie den Originalzustand wieder herstellen und den rechten Schriftzug übermalen – der in der Zwischenzeit bereits von anderen SprayerInnen mit antifaschistischen Parolen umgestaltet worden ist.

Bild: Michael Bonvalot

Solidarität gegen Rechts

Viele junge MusikerInnen sind gekommen, etwa EsraMona WonderlandSamy the King oder Valegcy. „Ich bin aus Solidarität hier“, sagt Esra. „Wir feiern die Musik, wir lassen uns Wien nicht wegnehmen.“ Esra unterstützt nicht nur mit Worten. Sie hat ein ungemein positives und fröhliches Wesen, es strahlt aus. Es ist eindeutig, wie sehr sie von den anderen RapperInnen respektiert wird.

Auch Samy, Mona und Valegcy zeigen Haltung und Solidarität. Die Stimmung ist positiv, es wird gelacht, aus mitgebrachten Lautsprechern wärmt die Musik an diesem eiskalten Tag.

Während wir miteinander sprechen, sind die Jungs von LSC mit Farbrollern an der Arbeit. Sie sind unglaublich schnell, nach knapp eineinhalb Stunden ist das Original-Graffiti wieder hergestellt, komplett mit allen Verzierungen.

Broke MCs

Bild: Manfred Knoblauer

Rebellion der Minderheiten

Auch der linke Wiener Anti-Gabalier-Rapper Kid Pex unterstützt Broke MC’s: „Junge Wiener Hip Hopper mit Migrationshintergrund haben hier ein Signal gesetzt. Das finde ich gut.“ Er warnt davor, dass rechte Gruppierungen zunehmend auch im Hip Hop Fuß fassen würden. „Das halte ich für sehr gefährlich“, so Kid Pex. Für ihn ist klar: „Hip Hop ist eine Musik der Rebellion der Minderheiten. Rechte Gruppen haben hier nichts verloren.“ Auch viele andere hätten sich bei Kimo gemeldet und ihre Solidarität ausgedrückt, erzählt er.

Kimo und Broke MC’s sind für die breite Unterstützung sehr dankbar. „Für uns ist klar“, sagt Kimo: „Wir sind eine Crew. Wir sind eine Familie. Wir sind das bessere Wien.“

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