[Vice] Homophobe Banner, sexistische Sprechgesänge und gewalttätige Übergriffe: Wir haben uns angeschaut, wie schlimm es um die Fans wirklich steht – und ob es eigentlich einen Unterschied zu anderen Sportarten gibt.
[Erstveröffentlichung: Vice] Fußballfans sorgen oft für große Empörung. In Österreich gab es erst im Februar wieder enorme Aufregung. Damals stand sogar das große Wiener Derby zwischen Austria und Rapid kurz vor dem Abbruch. Fans von Rapid hatten Gegenstände auf das Spielfeld geworfen und dabei auch Austria-Kapitän Raphael Holzhauser getroffen.
Aus beiden Fankurven kamen beim Derby auch zahlreiche homophobe Beschimpfungen. „Schwuler FAK!“ skandierten Rapid-Fans gegen den FK Austria Wien, Austria-Fans schrien „Schwuler SCR!“ gegen den Sportclub Rapid. Auch homophobe Banner wurden in beiden Fankurven präsentiert.
In der kommenden Bundesligarunde legte der harte Kern der Rapid-Fans dann sogar noch nach. Holzhauser wurde auf einem Banner als „Warmer“ beschimpft. Gezeichnet war das Banner von den „Ultras Rapid“, der größten Fangruppe der Hütteldorfer. Auf einem weiteren Banner wurde das Logo der Austria mit Symbolen der LGBT-Bewegung versehen.
Mehr als ein homophobes Banner von Fans des @skrapid beim Admira-Spiel. Das Logo des Lokalrivalen @FKAustriaWien wurde mit der Aufschrift "Angsthasen" versehen, dazu 2 "Männerzeichen" und das Lambda-Symbol, das von gleichgeschlechtlich Liebenden oft verwendet wird. #Rapid #ADMSCR pic.twitter.com/fO6lR6Dgm6
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) February 13, 2018
Auch Fans der Austria legten noch eins drauf: Bei nachfolgenden Spiel gegen die Admira gab es wieder Sprechchöre gegen den „schwulen SCR“, zusätzlich flogen Schneebälle aufs Feld. Dass Austria und Rapid bei diesen beiden Matches nicht einmal gegeneinander spielten, scheint nicht weiter von Bedeutung gewesen zu sein.
Die homophoben Vorfälle im Derby wurden danach in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Eine erfreuliche Ausnahme, denn homophobe und sexistische Sprechchöre sind in vielen österreichischen Fankurven bis heute die Norm und nicht die Ausnahme.
„Oft haben mich die gegenseitigen homophoben Beschimpfungen beim Wiener Derby fast an einen Wechselgesang der beiden Fangruppen erinnert“, sagt Caroline. Sie ist seit ihrer Kindheit Rapid-Fan und auch ehemalige Vereinsmitarbeiterin. „Ich war eigentlich ziemlich überrascht, dass das jetzt aufgegriffen worden ist“, meint die langjährige Stadiongängerin.
Tatsächlich wären die homophoben Meldungen wahrscheinlich auch diesmal untergegangen, wenn es nicht die Wurfgegenstände auf Austria-Kapitän Holzhauser und die Spielunterbrechung gegeben hätte. In Teilen der Öffentlichkeit wurde nach dem Spiel der Ruf nach harten Strafen für Rapid laut; auch sogenannte Kollektivstrafen wurden gefordert, wo Teile des Stadions oder das gesamte Stadium gesperrt werden.
Und tatsächlich verhängte die Bundesliga eine deftige Strafe: 100.000 Euro sowie eine Sperre der Fantribüne und angrenzender Sektoren für ein Spiel. Rapid hat als Reaktion angekündigt, diese Sperre zu umgehen, indem der Sektor der Gäste für eigene Fans zur Verfügung gestellt wird. Neuerliche Strafen stehen wegen dieser Umgehung im Raum.
Die Sperre von Sektoren oder ganzen Stadien ist als Mittel sehr umstritten. Teils werden sie als effektive Maßnahme gesehen, denn sie bedeuten einen spürbaren finanziellen Verlust für die Vereine. Es besteht die Hoffnung, dass die Vereine dadurch gezwungen werden, bei Übergriffen oder Diskriminierung härter durchzugreifen. Doch viele Fans lehnen Kollektivstrafen ab.
Sind wirklich alle Leute in den Kurven homophob? Und ist diese Art von Diskriminierung ein spezielles Fußball-Phänomen?
Das Thema Strafen könnte für Österreich bald noch an Brisanz zunehmen. Vor allem für Ultra-orientierte Fußballfans ist der Einsatz von Pyrotechnik, also leuchtenden Fackeln, ein elementarer Bestandteil der Fankultur. Für das kontrollierte Abbrennen von „Pyro“ vor dem Sektor gab es bisher Ausnahmeregelungen in Österreichs Stadien. Doch das FPÖ-geführte Innenministerium möchte künftig keinerlei Genehmigungen mehr erteilen. Die Klubs der Bundesliga und viele Fans protestieren bereits.
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Die Folge des Verbots ist absehbar: Pyro wird wieder vermehrt unkontrolliert mitten im Sektor statt davor abgebrannt werden. Das aber kann aufgrund der enormen Hitzeentwicklung tatsächlich gefährlich sein. Fans werden vermehrt kriminalisiert werden und in der Öffentlichkeit als Bösewichte verkauft – obwohl es bisher eine weitgehende funktionierende Regelung gab.
In anderen Sportarten wird das Thema hingegen oft viel entspannter gesehen. So kommt „Pyro“ auch bei Ski-Rennen immer wieder zum Einsatz. Dort führt sie allerdings zu weit weniger Aufregung. Sogar ein polizeilicher Einsatzleiter durfte in der Vergangenheit schon mal behaupten, dass Pyrotechnik „beim Skisport Freude ausdrücken soll und beim Fußball meist etwas anderes bedeute“. Wo genau der Unterschied sein soll, ließ er offen.
Für das Bild der Fußballfans in Österreich waren die Ereignisse der letzten Monate jedenfalls nicht besonders positiv. Doch sind tatsächlich alle Fans in den Kurven homophobe Verrückte, die Gegenstände auf ihre Gegner werfen? Und ist das alles ein spezielles Fußball-Phänomen? Sagen wir so: Daran darf zumindest gezweifelt werden.
Gegenstände etwa, die auf Sportler geworfen werden, kommen leider nicht nur im Fußball vor. Erst Ende Jänner wurde der norwegische Skifahrer Henrik Kristoffersen beim Slalom in Schladming während seiner Fahrt von Fans mit Schneebällen beworfen. Die Forderung nach einer (Teil-)Sperre des Fanbereichs wurde hier allerdings nirgends erhoben.
„Schwul runtergefahren“
Und wie ist das mit der Homophobie? Immer wieder wird zu Recht problematisiert, dass es im Fußball so gut wie keine geouteten männlichen Spieler gebe. Doch real unterscheidet das den Fußball nicht von vielen anderen Sportarten, darunter auch dem Skisport, Österreichs Nationalheiligtum. Dort allerdings ist es kein Thema, dass es keine Outings gibt.
Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Sotschi erklärte Peter Schröcksnadel, Präsident des österreichischen Skiverbands, über Diskriminierungen für Homosexuelle in Russland, ihm wäre selbst „lieber, es wird für Familien geworben als es wird für Homosexualität geworben“. Missbrauchsskandale im Skisport und die Relativierungen durch den Verband beschäftigen ebenfalls seit Monaten die Medien. Ständig werden neue Fälle bekannt.
Es passt in dieses Bild, dass die Tiroler Skifahrerin Ricarda Haaser im Februar im ORF meinte, dass ihr ein Lauf bei den olympischen Spielen nicht gut gelungen wäre – sie sei „schwul runtergefahren“. All das ist wohl kaum eine Umgebung, wo SportlerInnen ermutig werden, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen.
Das Problem fehlender Outings zieht sich auch durch viele andere Sportarten. Besonders schwierig wird es bei Sportarten mit typisch männlichen Rollenzuschreibungen. So gibt es in den fünf großen US-Sportverbänden NHL, NBA, NFL oder MLB aktuell keinen einzigen geouteten Spieler, wie die NZZ schreibt.
Die Klubs spielen ebenfalls nicht immer eine positive Rolle. 2017 sorgte etwa eine Eishockey-Partie im englischen Sheffield für Aufregung. Bei der sogenannten Kiss-Cam hatte sich ein schwules Paar geküsst. Das sei „widerlich“, rief der Stadionsprecher darauf hin ins Mikro und forderte die Security auf, das Paar aus dem Stadion zu werfen.
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Doch es geht keineswegs nur um den Sport. Der bekanntlich rechte Liedermacher Andreas Gabalier etwa spricht in einem Interview mit dem Merkur über unsere angeblich „genderverseuchte Zeit“. Er fordert, dass schwule Paare ihre „Sexualität nicht ganz so breit in der Öffentlichkeit austreten“ sollten – „aus Respekt unseren kleinen Kindern gegenüber“. Glaubt irgendjemand, dass die Stimmung gegenüber Schwulen auf einem Konzert von Gabalier substantiell anders ist als die Stimmung in vielen Fußballkurven?
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass es im Fußball keine Probleme gibt – es gibt sie und wir müssen darüber reden. Doch das Problem ist eben breiter. Die Beschimpfung anderer Menschen als „schwul“ oder „Hurensohn“ ist bis heute gesellschaftlich weithin anerkannt und üblich. Ab dem Kindergarten werden Kinder mit solchen Diffamierungen konfrontiert und übernehmen sie.
Wahrscheinlich gibt es auch gar nicht so wenige Menschen, die auf Nachfrage erklären würden, dass sie solche Beschimpfungen gar nicht diskriminierend meinen. Auch die „Fußballfans gegen Homophobie“ (FFGH)sehen das so. „Wir glauben nicht, dass jede Person, die im Stadion bei ‚Schwuuuuler…‘ mitschreit, Homosexuelle aktiv diskriminieren will“, schreibt die Initiative.
Doch das ändert nichts daran, dass Diffamierungen als „schwul“ und damit als „unmännlich“ oder „weich“ ganz klar homophob sind. Die so erzeugte Stimmung führt dazu, „dass homosexuelle Jugendliche sich kein Coming-Out trauen oder gemobbt werden bis hin zum Suizid“, kritisieren auch die FFGH.